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Forschen trotz Behinderung




Christian Seyferth-Zapf hat Multiple Sklerose. Seine Behinderung hält ihn aber nicht von einer Promotion ab.
epd-bild/Pat Christ
Dass junge Menschen mit Behinderung ein Studium beginnen, ist heute nicht mehr so selten. Promovenden mit einer Beeinträchtigung sind aber nach wie vor rar. Deutschlandweit werden derzeit 45 Doktoranden mit Handicap über "Promi" gefördert.

Die Frage, ob er nach dem Abi studieren sollte, war für Christian Seyferth-Zapf nicht leicht zu beantworten. Vor elf Jahren wurde bei dem heute 26-Jährigen Multiple Sklerose (MS) diagnostiziert. Trotz dieser chronischen Krankheit erfüllte sich der Bayreuther seinen Traum, Englisch und Geografie auf Lehramt zu studieren. Seit Oktober promoviert er sogar: In Würzburg befasst er sich mit dem Thema "Medienkompetenz". Möglich wurde dies durch das Programm "Promi - Promotion inklusive".

"In Bayern konnten zwölf Promi-Promovenden eingestellt werden", sagt Sandra Ohlenforst von der Würzburger Kontakt- und Informationsstelle für Studierende mit Behinderung (KIS). Beteiligt seien neben Würzburg die Unis in Augsburg und Bayreuth sowie die TU München.

Fördergelder für Doktoranden

Wer bei "Promi" aufgenommen wird, erhält einen sozialversicherungspflichtigen 20-Stunden-Job als wissenschaftlicher Mitarbeiter. 30 Prozent der Stelle werden von der Uni bezahlt. Im Falle von Christian Seyferth-Zapf finanziert der Lehrstuhl für Schulpädagogik von Professorin Silke Grafe diesen Part. Zu 70 Prozent werden die "Promi"-Stellen von Integrationsämtern, Arbeitsagenturen, Jobcentern und vom Bundesarbeitsministerium finanziert.

Als Promi-Promovend ist Christian Seyferth-Zapf, anders als andere Doktoranden, nicht verpflichtet, Lehrveranstaltungen zu halten. Er darf dies zwar tun: "Doch ich kann mich, wenn ich will, ganz auf die Dissertation konzentrieren." Das ist für den Medienpädagogen sehr entlastend, denn der junge Mann muss mit seinen Kräften haushalten. Die Krankheit selbst, aber auch die Medikamente, die er regelmäßig einzunehmen hat, sorgen dafür, dass er schnell erschöpft ist und immer wieder Auszeiten braucht. Stress ist für den Doktoranden ohnehin Gift, können doch zu große Belastungen dazu führen, dass er einen neuen MS-Schub bekommt. Was heißen würde, wieder in die Klinik zu müssen. Im Augenblick geht es Seyferth-Zapf gut, seit eineinhalb Jahren hat er schon keinen Schub mehr gehabt. Doch davor spielte ihm sein Leiden so manchen Streich.

Besonders aktiv war die Krankheit während des Studiums in den Jahren 2011 und 2012: "Drei- bis viermal im Jahr hatte ich einen Schub." So manches Seminar an der Uni konnte er dadurch nicht zu Ende bringen. Im nächsten Semester musste er es wiederholen. Was dazu führte, dass er zwei Semester über die Regelstudienzeit hinaus studierte. Den Stress des Staatsexamens bewältigte der Student mit Hilfe eines Nachteilsausgleichs, den er über KIS vermittelt bekam: "Ich erhielt für jede Klausur mehr Zeit."

Den Gammastrahlen auf der Spur

Christian Seyferth-Zapf sieht man seine Behinderung nicht an. Das ist bei Christoph Wendel anders. Der erste Würzburger Promi-Student leidet an einer spinalen Muskelatrophie. Er sitzt im elektrischen Rollstuhl und ist auf Assistenz angewiesen. Dank des Förderprogramms kann er seit zwei Jahren am Physikalischen Institut an seiner Dissertation arbeiten. Dabei ist der Astrophysiker den Geheimnissen extragalaktischer Gammastrahlen auf der Spur.

An der Universität Erlangen-Nürnberg promoviert mit Daniela Preiß eine geburtsblinde Frau im Fach Buchwissenschaft. Preiß forscht zur Lesemotivation Blinder. In ihrer Doktorarbeit will sie herausfinden, welche Bedürfnisse blinde Leser heute haben und wie sie diese Bedürfnisse aktuell befriedigen können. Ziel ist es, die Lesemotivation geburtsblinder Menschen zu erhöhen. Auch Preiß erhält für ihre Forschungsarbeit eine Förderung: Seit November wird sie für ein Jahr von der Erika Giehrl-Stiftung der Universität Erlangen-Nürnberg unterstützt.

Christian Seyfert-Zapf hat nun noch knapp drei Jahre Zeit, um seine Dissertation zu schreiben. Wie es danach weitergeht, weiß der junge Mann noch nicht. Den Traum, Lehrer zu sein, hat er trotz MS nicht aufgegeben. Allerdings schwebt das Damoklesschwert der Krankheit ständig über ihm. Mal schauen, meint er, wie es ihm im Herbst 2018 gesundheitlich geht. Vielleicht steigt er nach der "Diss" doch noch ins Referendariat ein. Oder er findet einen Arbeitsplatz in einem medienpädagogischen Institut.

Pat Christ

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