Ausgabe 11/2016 - 18.03.2016
Korntal-Münchingen (epd). Die Evangelische Brüdergemeinde Korntal hat bei der Aufarbeitung von früheren Missbrauchsfällen in ihren Kinderheimen einen Rückschlag erlitten. Weil Betroffene ihnen das Misstrauen erklärten, zog sich das Team um die Landshuter Sozialwissenschaftlerin Mechthild Wolff aus dem Korntaler Projekt "Aufarbeitung Heimerziehung" zurück. Wenn eine erhebliche Zahl von Personen, die während ihres Aufenthalts in den Kinderheimen Missbrauch, Misshandlung und anderes Unrecht erlitten hätten, nicht mit ihnen arbeiten wollten, sei eine Aufarbeitung nicht möglich, schreiben sie in einer am 15. März von der Brüdergemeinde veröffentlichten Stellungnahme.
Die vier Wissenschaftlerinnen betonen, dass sie als ihre Aufgabe betrachtet hätten, "das tatsächliche Ausmaß der Gewalt gegen Kinder in Korntaler Heimen herauszufinden und Verantwortliche zu benennen". Zusätzlich wollten sie "Strukturen aufdecken, die dies begünstigt haben, und insbesondere auch die Folgen für die betroffenen ehemaligen Heimkinder erheben".
Die Evangelische Brüdergemeinde Korntal bedauerte, dass "eine große Chance vertan" worden sei. Die insbesondere gegen Professorin Wolff gerichteten persönlichen Angriffe seitens Betroffener und ihrer Unterstützer hätten zuletzt "ein unzumutbares Maß erreicht" und machten die Reaktion verständlich. Wie nun das Verfahren gemeinsam mit den ehemaligen Heimkindern fortgesetzt werden könne, sei noch offen. Unabhängig davon gehe der interne Aufarbeitungsprozess weiter.
Das neu gegründete Netzwerk Betroffenenforum begrüßte die Entscheidung der Wissenschaftlerinnen. Für die Betroffenen stehe die Aufklärung aller Vorkommisse in der Brüdergemeinde im Zentrum. Sie wollten die schnellstmögliche Aufklärung und "Befriedung durch eine angemessene Entschädigung".
Ehemalige Heimkinder hatten Vorwürfe gegen die Diakonie im baden-württembergischen Korntal erhoben. Sie berichten von sexueller und körperlicher Gewalt sowie Zwangsarbeit insbesondere in den 60er und 70er Jahren.