Ausgabe 11/2016 - 18.03.2016
Hamburg (epd). Zugang zu Deutschkursen, Arbeitsvermittlung oder Anmeldung zum Schulbesuch: All das ist Teil der sozialen Arbeit mit geflüchteten Menschen. Dazu kommen Hilfen in speziellen Notlagen, etwa bei Traumatisierungen. Für dieses Aufgabenpaket sind in einer Flüchtlingsunterkunft in Hamburg-Rahlstedt zwei Fachkräfte zuständig. Sie betreuen 114 Menschen.
Die Türe zu Maren Oehmichens Büro steht meist offen. Es klopft. Abdulla (Name geändert), ein Schuljunge in blauer Steppjacke, bittet für seine Familie um Bettwäsche und drei Paar Schuhe. "Und welche Größe?", fragt Oehmichen und notiert sich die Bestellung für die zentrale Kleiderkammer. Abdulla überlegt. Aber die Schuhgröße seiner Schwester weiß der Junge nicht mehr. Er will nachfragen und geht zurück zu den orangegelben Containerhäusern am östlichen Rand von Hamburg.
Die Flüchtlingsunterkunft des städtischen Unternehmens "Fördern & Wohnen" beherbergt Familien, die aus dem Irak, aus Syrien, Afghanistan und anderen Ländern geflohen sind. Fern von ihrem gewohnten Umfeld, ihren persönlichen Kontakten und sozialen Netzwerken versuchen sie hier, neue Kraft und Wege zu finden, ihr Leben selbst zu gestalten. Zurzeit wohnen 114 Menschen hier, 78 davon sind Kinder und Jugendliche.
Maren Oehmichen leitet die Einrichtung. Die ausgebildete Sozialpädagogin wird unterstützt von einer weiteren Kraft, die aus dem Pflegebereich kommt. Und es gibt noch einen Hausmeister.
An anderen Orten, insbesondere in den Erstaufnahmeunterkünften, sieht die Betreuungssituation meist noch deutlich schlechter aus. Dort liegen die Betreuungsschlüssel nach den Vorgaben der einzelnen Bundesländer zwischen 1:100 in Sachsen-Anhalt und Baden-Württemberg und 1:120 zum Beispiel in Brandenburg und Bremen. In Hamburg kommen 150 Personen auf eine Fachkraft. In Bayern kam in über 250 Gemeinschaftsunterkünften lange Zeit eine Fachkraft auf 150 Asylsuchende. Der Personalschlüssel wurde mittlerweile auf 1:100 gesenkt.
Unter solchen Bedingungen könne nicht einmal eine sogenannte Verweisberatung an andere Hilfsstellen stattfinden, kritisiert Nivedita Prasad, Professorin an der Alice-Salomon-Hochschule für Soziale Arbeit in Berlin. Sie hält einen Betreuungsschlüssel von höchstens 1:40 oder 1:10 für notwendig, je nachdem, ob es sich um alleinstehende Erwachsene, besonders schutzbedürftige Personen oder Menschen mit Kindern handelt.
"Wir sind für alles zuständig", berichtet Maren Oehmichen. Und holt tief Luft um aufzuzählen, was ihre Aufgabenpalette alles enthält: erste medizinische Versorgung, Beratung in Verhütungsfragen, Organisation von Kita- und Schulbesuch der Kinder, Anmeldung zu Deutschkursen, Verteilung von Möbelspenden, Aufklärung über Abfallentsorgung, Begleitung bei Behördengängen, Freizeitangebote und Vermittlung an Beratungsstellen.
Wieder klopft es. Eine Frau aus der Nachbarschaft bringt zwei Sessel. Kurz danach tritt Maike Schwitale ein. Die Singstunde sei noch nicht gut besucht, ob nicht noch jemand an die Türen klopfen und Werbung für das Angebot machen könnte? Die Juristin arbeitet ehrenamtlich einmal in der Woche in der Unterkunft.
Die soziale Betreuung gelinge gut, sagt Oehmichen. Allerdings, räumt sie ein, handele es sich um eine "Vorzeigeeinrichtung". Anders als die meisten Sammelunterkünfte mit meist alleinstehenden Männern sei ihre Einrichtung relativ klein und die Familien bewohnten abgeschlossene Räume. Küchen und Bäder müssten nicht mit Fremden geteilt werden.
Vor allen Dingen aber reiße der Strom an freiwilligen Helfern nicht ab. Sie werde von über 40 Ehrenamtlichen unterstützt. "Das ist ein Traum. Es ist eine große Bereicherung für die Bewohner und eine große Unterstützung für mich", sagt die Leiterin. Zum Beispiel sei die individuelle Begleitung zu Behörden ohne die Freiwilligen nicht zu leisten.