Der Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Abraham Lehrer, der Publizist Michel Friedman und Vertreter mehrerer Kölner Organisationen haben am 8. Oktober in Köln an den Anschlag auf die Synagoge in Halle (Saale) erinnert und von der Politik mehr Engagement gegen Antisemitismus und Rassismus gefordert. Friedmann plädierte leidenschaftlich für mehr zivilgesellschaftliches Engagement für die Demokratie und gegen Antisemitismus. "Ich will nie wieder hören 'Wehret den Anfängen'. Wir sind bereits mittendrin." Er verwies darauf, dass die größte Oppositionspartei im Bundestag, die AfD, "eine Partei des Hasses" sei. "Wenn die Demokratie in Deutschland stabil ist, können auch die Juden hier leben. Wenn die Demokratie in Deutschland nicht stabil ist, können nicht nur Juden hier nicht leben", warnte der Publizist.

"Wenn wir Demokratie wollen, warum sind wir dann nicht lauter gegen die, die heute noch in der Minderheit sind?", fragte Friedmann. Nach dem Zweiten Weltkrieg hätten viele gesagt, sie hätten gegen das NS-Regime nichts ausrichten können. "Heute sind wir dran. Wir können etwas ausrichten. Und das ist unsere Pflicht." Nach Veranstalterangaben nahmen etwa 250 Menschen an der Kundgebung auf dem Kölner Bahnhofsvorplatz teil, zu der die Kölnische Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit, die Deutsch-Israelische Gesellschaft Köln, das Bündnis gegen Antisemitismus und mehrere antifaschistische Gruppen aufgerufen hatten.

"Ein Gefühl der Unsicherheit und des Ungewolltseins"

Abraham Lehrer, Vorstand der Synagogen-Gemeinde Köln, erinnerte sich an den Tag des Anschlags: "Wir waren in der Synagoge in Köln an der Roonstraße. Wir haben den Gottesdienst fortgesetzt, waren aber mit einem Ohr immer bei den Ereignissen in Halle." Einige Gottesdienstbesucher seien nach Hause gegangen. Bei der jüdischen Synagogengemeinde in Köln habe sich ein "ein Gefühl der Unsicherheit und des Ungewolltseins" ausgebreitet, berichtete Lehrer. Der Antisemitismus in Deutschland habe "explosionsartig" zugenommen. "Wir brauchen jetzt ganz konkrete Aktionen", forderte der Vizepräsident des Zentralrats der Juden. "Da ist die Politik gefragt, da sind aber auch Vereine, Verbände und Initiativen gefragt."

"Wir wissen nicht erst seit dem Anschlag in Halle, dass der Antisemitismus mörderisch ist", sagte Hannelore Bartscherer von der Kölnischen Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit. Eine solche Tat dürfe sich nicht wiederholen. "Dafür braucht es mehr als Lippenbekenntnisse und verbale Kraftmeierei", betonte die langjährige Vorsitzende des Katholikenausschusses Köln. Nötig sei eine dauerhafte politische Arbeit gegen den weit verbreiteten Rassismus und Antisemitismus, sagte Bartscherer.

Am 9. Oktober vor einem Jahr hatte der Attentäter Stephan B. einen Anschlag auf die Synagoge in Halle an der Saale verübt. Er versuchte mit Sprengsätzen und Schusswaffen in die abgeschlossene Synagoge zu gelangen. Schließlich erschoss der Attentäter vor der Synagoge eine 40 Jahre alte Passantin und in einem nahe gelegenen Döner-Imbiss einen 20 Jahre alten Mann. Die Bundesanwaltschaft hat B. wegen Mordes in zwei Fällen, versuchten Mordes in mehreren Fällen sowie weiterer Straftaten angeklagt. Seit Ende Juli läuft der Prozess vor dem Oberlandesgericht Naumburg. Aus Platzgründen finden die Verhandlungen im Landgericht Magdeburg statt.