Berlin (epd). Fastenwandern in Brandenburg wird jetzt deutlich häufiger geklickt als Sprachkurs in Barcelona. Zu den beliebten Angeboten auf Bildungsurlauber.de gehören auch Rückenfit mit Yoga und Pferden, das japanische Waldbaden Shinrin-yoku oder Feldenkrais auf Sylt. Die meisten Buchungen verzeichne das Portal, das aktuell 2.840 Angebote mit rund 10.000 Kursterminen listet, in der Kategorie "Erholung, Gesundheit, Stressbewältigung", sagt Mitgründerin Lara Körber, gefolgt von persönlicher und beruflicher Weiterbildung wie Mediation oder Mitarbeiterführung.
Nach der ersten "Schockstarre" durch die Corona-Pandemie "kommt jetzt wieder Bewegung rein", betont die 33-Jährige. Anbieter entwickelten zudem Onlinekurse. Das 2019 gegründete Berliner Startup will Bildungsurlaub bekannter und einfacher zugänglich machen und so die Nutzungsquote erhöhen. Das Portal bündelt das riesige Angebot anerkannter Kurse von Design über Politische Bildung bis zu Wissenschaft und Lehre, macht es durch Filter übersichtlich und automatisiert den Antragsprozess, indem Interessierte direkt den Antrag für ihr Bundesland herunterladen können. Diesen müssen sie nur noch unterschreiben und dem Arbeitgeber vorlegen. Infos gibt es auch zu Zuschüssen durch die Krankenkasse oder das Absetzen von der Steuer.
Schwerer Weg
"Bildungsurlaub ist kein Benefit, sondern ein Recht", betont Körber: "Aber der Weg dorthin ist für viele zu schwer." Laut Deutschem Gewerkschaftsbund (DGB) sind 77 Prozent der Beschäftigten an Fortbildungen interessiert, aber nur ein bis zwei Prozent nehmen Bildungsurlaub, obwohl es außer in Bayern und Sachsen überall einen gesetzlichen Anspruch darauf gibt. Meist dürfen fünf Tage pro Jahr oder zehn Tage in zwei Jahren genommen werden.
Jahrelang hatten auch Körber und ihre Mitgründer Anian Schmitt (33) und Sven Regenhardt (40) nicht von der Möglichkeit Bildungsurlaub gewusst. Auf das Thema aufmerksam wurden sie erst, als Schmitts Mutter ankündigte, einen Tai-Chi-Kurs als Bildungsurlaub zu machen. Es folgten viele Fragen, Recherchen und die Erkenntnis, dass es eine Plattform wie Bildungsurlauber.de noch nicht gab. Zusammen bewarben sich die drei, die aus der Tech-Branche, der Unternehmensberatung und dem Marketing kommen, für das Berlin Startup Stipendium - und erhielten die Förderung.
Geld verdienen sie durch Provisionen: Für jeden Teilnehmer, der seine gebuchte Weiterbildung erfolgreich absolviert hat, fließt ein Anteil der Kurskosten an die Plattform. Anbieter können sich selbst auf der Webseite registrieren. Eine Statistik auf der Homepage weist aktuell 1.568 Teilnehmer, 4.134 Kurse, 7.840 Kurstage und 156 Standorte aus.
"Gute Arbeitskultur wird wichtiger"
Mittlerweile können die Gründer auch den Corona-Folgen Positives abgewinnen. Mit dem Schlagwort "New Work" verbundene Themen wie Homeoffice, Arbeitszeit und Work-Life-Balance seien gesamtgesellschaftlich stärker auf die Agenda gerückt, erklärt Körber. Viele Beschäftige dächten darüber nach, wie sie in Zukunft leben und arbeiten wollten: "Eine gute Arbeitskultur wird wichtiger, auch bei Arbeitgebern." Davon könnte "als ein Puzzlestück" auch der Bildungsurlaub profitieren.
Bisher haben es allerdings auch weder sie noch ihre Mitgründer in den Bildungsurlaub geschafft, räumt Körber ein. Da ihre Förderung ausgelaufen ist, steht derzeit die Investorensuche oben auf der Agenda. Geplant sind zudem ein eigenes Seminarangebot sowie eine Petition für Bildungsurlaub auch in Bayern und Sachsen. Außerdem ist das Startup an einer Studie der Humboldt-Universität zu Berlin zur Auswirkung von Bildungsurlaub auf Mitarbeiter beteiligt. So bald wie möglich soll es aber auch für Körber zum Fastenwandern nach Brandenburg gehen.