Große deutsche Firmen sollen künftig für ausbeuterische Praktiken ihrer ausländischen Partner haftbar gemacht werden können. Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) und Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) gaben am 14. Juli in Berlin bekannt, dass sie dem Kabinett im August Eckpunkte für ein Lieferkettengesetz vorlegen wollen. Ziel der Minister ist es, in dieser Legislaturperiode zu einem Gesetz zu kommen.

Heil sagte, es gehe nun darum, die Rechte der Menschen zu schützen, die Waren für Deutschland produzierten. Müller fügte mit Blick auf Arbeitsbedingungen in Entwicklungsländern hinzu: "Wir tolerieren im großen Stil Kinderarbeit." Pro Kopf arbeiteten "für unseren Konsum" im Durchschnitt "50 Sklaven" in der Schuhproduktion, der Textilproduktion und anderen Bereichen.

Das Lieferkettengesetz geht auf den "Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte" (NAP) aus dem Jahr 2016 zurück, der auch im Koalitionsvertrag bekräftigt wird. Dieser sieht vor: Wenn sich bis 2020 herausstellt, dass weniger als die Hälfte der großen Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten ihrer menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht nachkommen, sollen "weitergehende Schritte bis hin zu gesetzlichen Maßnahmen" geprüft werden. Dazu liefen seit dem vergangenen Sommer Umfragen zur Selbsteinschätzung deutscher Unternehmen.

"Ernüchternde Ergebnisse"

Nun wurden die Ergebnisse vorgestellt: Von rund 2.250 befragten Unternehmen in einer zweiten Fragerunde haben gerade einmal 455 Firmen gültige Antworten eingereicht. Lediglich 22 Prozent kämen ihrer unternehmerischen Sorgfaltspflicht nach, sagte Müller. In der ersten Runde der Umfragen sah es ähnlich aus: nur 465 von 3.300 angeschriebenen Unternehmen haben den Fragebogen ausgefüllt, davon erfüllten 18 Prozent die Vorgaben. Beide Minister sahen damit die Voraussetzungen für ein Lieferkettengesetz erfüllt.

Heil betonte, die "ernüchternden" Ergebnisse zeigten, "dass Freiwilligkeit nicht ausreicht". Betroffen von einem Lieferkettengesetz wären den Angaben nach rund 7.000 Unternehmen. Es gehe um große Firmen, nicht um den kleinen Handwerker um die Ecke, sagte der Minister.

Außenminister Heiko Maas (SPD), unter dessen Federführung die Umfragen erfolgten, teilte mit, es müsse jetzt über gesetzliche Regelungen gesprochen werden, "damit sich vorbildliches Verhalten von Unternehmen lohnt und die schwarzen Schafe zur Rechenschaft gezogen werden".

Das Wirtschaftsministerium warnte hingegen vor "Schnellschüssen", die sich bei solch wichtigen Themen "verbieten". Dort, wo es noch Optimierungsbedarf gebe, sollten gemeinsam mit der Wirtschaft Gespräche über mögliche weitere Maßnahmen und Schritte geführt werden. Wirtschaftsverbände warnten bereits eindringlich vor einem Lieferkettengesetz.

Gegen Benachteiligung von Frauen vorgehen

Mehrere Nichtregierungsorganisationen forderten, auch gegen die Benachteiligung von Frauen vorzugehen. Es seien vor allem Frauen, die international für Niedrigstlöhne arbeiten, hoben "Brot für die Welt", Femnet, FIAN und das Global Policy Forum in einer gemeinsamen Erklärung hervor. Die "Initiative Lieferkettengesetz" aus mehr als 90 Organisationen verlangte klare Haftungsregeln.

Der Bundesverband der Verbraucherzentralen mahnte, Verbraucher müssten sich darauf verlassen können, dass ihr Einkauf keine Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung fördert. Der TÜV-Verband, der in die Überprüfung einbezogen werden könnte, begrüßte die Pläne. Allerdings reiche ein nationales Gesetz nicht aus. Deutschland müsse sich für eine europäische Lösung stark machen.

Nach Angaben von Müller und Heil will sich die Bundesregierung während der aktuellen deutschen EU-Ratspräsidentschaft auch für einen EU-Aktionsplan zur Stärkung der Unternehmensverantwortung in globalen Lieferketten einsetzen.