Bund und Länder wollen bei der Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie mehr Tempo machen. Laut einem Zeitungsbericht will die Bundesregierung offenbar noch im Juli einen Gesetzentwurf zum Verbot von Werkverträgen beschließen. NRW-Arbeitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) kündigte einen Ausbau der Arbeitsschutzbehörden an. Niedersachsen will höhere Standards für die Unterbringung von Werkvertragsarbeitern einführen. Unterdessen gibt es erneut einen Corona-Ausbruch in einem Geflügel-Schlachtbetrieb.

In einem "Wiesenhof"-Betrieb im niedersächsischen Lohne haben sich 66 Personen mit dem Coronavirus angesteckt, wie der Landkreis Vechta mitteilte. Das Gesundheitsamt habe alle Infizierten bereits in Quarantäne geschickt, hieß es. Die engen Kontaktpersonen seien zum Großteil ermittelt und befänden sich ebenfalls in Quarantäne. Die restlichen Kontakte würden derzeit nachverfolgt.

Kossen: "Moderne Sklaverei" beenden

Angesichts dieses aktuellen Falls erneuerte der katholische Pfarrer Peter Kossen am Sonntag seine Kritik an den Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie. Die "moderne Sklaverei" mit Werkverträgen, Subunternehmen und maroden Sammelunterkünften müsse beendet werden, forderte der Gemeindepfarrer aus Lengerich, das zum Bistum Münster gehört. Nur gesetzlich erzwungene Mindeststandards könnten die Wende herbeiführen.

Die Bundesregierung will das von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) angekündigte Verbot von Werkverträgen in der Fleischindustrie offenbar schon in diesem Monat auf den Weg bringen. Das Gesetz könnte dann im September oder Oktober den Bundestag passieren und spätestens zum neuen Jahr gelten, berichtete die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung". "Ausbeutung darf in Europa nicht Geschäftsmodell sein", sagte Heil der Zeitung.

In Niedersachsen sollen für die Unterbringung von Tausenden Werkvertragsarbeitern künftig offenbar höhere Standards gelten, wie die "Neue Osnabrücker Zeitung" (18. Juli) berichtete. So sollen jedem Arbeiter unter anderem mindestens zehn Quadratmeter Wohnfläche zur Verfügung stehen. Die Zeitung beruft sich dabei auf Pläne von SPD und CDU.

Laumann will Arbeitsschutz stärken

NRW-Arbeitsminister Laumann kündigte eine Verstärkung des Arbeitsschutzes in seinem Bundesland an. Unter anderem solle künftig dauerhaft in jedem der großen Schlachthöfe ein Mitarbeiter des Arbeitsschutzes direkt im Betrieb sitzen, "um Missstände rechtzeitig zu erkennen", sagte er der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung".

In den vergangenen Wochen war es in mehreren Fleischfabriken in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen zu teils massiven Corona-Ausbrüchen gekommen, unter anderem bei Tönnies in Rheda-Wiedenbrück, im ebenfalls zu "Wiesenhof" gehörenden Putenschlachthof Geestland in Wildeshausen bei Oldenburg und bei Westfleisch in Coesfeld.

Gegen Tönnies ermittelt die Bielefelder Staatsanwaltschaft wegen des Anfangsverdachts auf fahrlässige Körperverletzung und Verstoß gegen das Infektionsschutzgesetz. Konzernchef Clemens Tönnies kündigte im "Westfalen-Blatt" (18. Juli) an, die über Werkverträge beschäftigten Mitarbeiter in Tochterfirmen des Unternehmens fest anzustellen und ihre Wohnsituation zu verbessern.