Neben dem Porree steht der Kohlrabi. Zwischendrin ranken Tomatenpflanzen in die Höhe, begleitet von Süßkartoffeln, Basilikum und Stangensellerie: Biogärtner Jan Bera liebt die Mischkultur. "Wir versuchen, das Beet nie leer werden zu lassen. Denn dann würde die Fläche verarmen und wäre anfälliger für Krankheiten und Schädlinge", sagt der Demeter-Gärtner. In Oldendorf bei Bremen arbeitet er nach dem Prinzip der "solidarischen Landwirtschaft" - ein Konzept, das in Deutschland immer mehr Anhänger findet.

Es verbindet Erzeuger und Verbraucher: Die Mitglieder einer "Solawi" zahlen die Kosten der Landwirtschaft inklusive der Löhne und bekommen dafür die Ernte, die untereinander aufgeteilt wird. Was erzeugt wird, geht also nicht auf den Markt, sondern an die "Solawisten", die sich ihre Ernteanteile meist in Depots abholen. Finanziert wird somit nicht das einzelne Produkt, sondern die gesamte landwirtschaftliche Tätigkeit nach den geplanten und zuvor in einer jährlichen Mitgliederversammlung vorgestellten Betriebskosten.

Schutzschild für die Bauern

Sicher sind es das gestiegene Umweltbewusstsein, Lebensmittelskandale und ganz aktuell Diskussionen über Fleischerzeugung und Tierwohl, die dazu beitragen, dass die Zahl der Solawis kontinuierlich steigt. "Auf unserer Website haben wir derzeit 285 Projekte gelistet", bilanziert Stephanie Wild vom bundesweiten Netzwerk Solidarische Landwirtschaft. Als Jan Bera 2012 den Gärtnerhof gepachtet hat, war die Zahl noch im zweistelligen Bereich.

Bera erzeugt auf knapp drei Hektar Freiland und auf 2.000 Quadratmetern Gewächshausfläche 110 Ernteanteile mit derzeit wöchentlich je drei Kilo Gemüse. 95 Euro kostet bei ihm monatlich ein ganzer Ernteanteil, die Hälfte ist auch möglich. In der Hochsaison ist ein Anteil größer, im Winter kleiner. "Das Solidarische daran ist, dass auch Ernteausfälle oder Produktionsrisiken von den Verbrauchern mit getragen werden", verdeutlicht Netzwerk-Sprecherin Stephanie Wild.

Solawis funktionieren also wie ein Schutzschild für die Bauern: Die Städter helfen den Landwirten - und umgekehrt natürlich auch. Die regional und saisonal ausgerichteten Höfe werden durch das Modell der Kooperative vom marktwirtschaftlichen Ertragsdruck entlastet. Und die Verbraucher wissen, wo ihre Lebensmittel herkommen - auch durch Hilfsaktionen beim Jäten und Ernten.

Flexibler Speiseplan

Dass die Ernteanteile immer saisonal ausgerichtet sind, empfindet die Bremer Gärtnerhof-"Solawistin" Rike Fischer als Geschenk "und auch ein wenig als Abenteuer". Wer mitmache, müsse mit seinem Speisezettel flexibel sein und das verarbeiten, was in den Depots angeliefert werde. "Das sind jetzt unter anderem Salate, Zucchini, Möhren, Blumenkohl, Auberginen und Tomaten", zählt Fischer auf und kommt noch mal auf die Tomaten zu sprechen. Die habe es lange nicht gegeben, "jetzt sind sie ein echtes Fest". Bei den Solawis sei eben nicht wie im Supermarkt alles zu jeder Zeit verfügbar.

Durch das Solidar-Prinzip sind Erzeuger wie Bera abgesichert und können mehr in eine nachhaltige Landwirtschaft mit Humusaufbau, Artenschutz und einer eigenen Saatzucht investieren. "Mir ist wichtig, dass wir uns von dem Land ernähren, auf dem wir leben, weg vom globalisierten Markt mit seinen Unwägbarkeiten und dem Gemüse zu Dumpingpreisen", sagt Bera.

Ganz ähnlich funktioniert mit wöchentlich 200 Ernteanteilen auch der "Sophienhof" nur etwa 600 Meter entfernt. Allerdings hat Betriebsleiter Marc Schweighöfer die Landwirtschaft gekauft und bietet neben Gemüse auch Rindfleisch und Gänse an. "50 Rinder und 250 Gänse - ich möchte überschaubare Tiergruppen haben", sagt der Solawi-Bauer, der mit einer kleinen Landschlachterei zusammenarbeitet.

Wurzeln in Japan

International gesehen haben die Solawis ihre Wurzeln in den japanischen "Teikei"-Höfen, über die nach Angaben von Stephanie Wild mittlerweile mehrere Millionen Menschen versorgt werden. In den USA entstand in den 1980er Jahren die CSA-Bewegung - "Community Supported Agriculture".

In Europa sei Frankreich Vorreiter gewesen, ergänzt Wild. "Heute gibt es in 40 Ländern Projekte der solidarischen Landwirtschaft, Deutschland war da ziemlich Nachzügler." Bundesweit, schätzt sie, werden zwischen 35.000 und 50.000 Haushalte mit Solawi-Erzeugnissen versorgt. 60 Prozent der Betriebe seien rein auf Gemüse ausgerichtet, der Rest halte auch Vieh und baue Getreide an.

Die älteste deutsche Solawi ist der Buschberghof in Fuhlenhagen bei Hamburg, die größte das Münchner "Kartoffelkombinat". Mit einer genossenschaftlich organisierten Gärtnerei versorgt es seine Mitglieder mit wöchentlich etwa 1.800 Ernteanteilen Biogemüse. Sie alle verbindet wohl das, was Jan Bera in Oldendorf tagtäglich antreibt, wenn er sagt: "Ich mach das aus Überzeugung."