9. Oktober 2019: Vor der Synagoge in Halle fallen Schüsse. Der heute 28-jährige Stephan B. ist dabei, seinen unfassbaren, grausamen Plan auszuführen und in dieser Synagoge der Jüdischen Gemeinde in der Saalestadt ein Massaker anzurichten. Weil er jedoch die abgeschlossene Tür vor dem Gebäude nicht überwinden kann, erschießt er schließlich willkürlich zwei Menschen auf offener Straße. Dieser offenkundig rechtsextreme und antisemitische Anschlag erschütterte die Öffentlichkeit weit über die Grenzen Deutschlands hinaus. Wegen Mordes in zwei Fällen und versuchten Mordes in 68 Fällen muss sich der Attentäter vom 21. Juli an vor Gericht verantworten.

Der Generalbundesanwalt hatte kurz nach der Tat die Ermittlungen übernommen, schnell schien klar: "Das war Terror." Ende April erhob die Bundesanwaltschaft Anklage gegen Stephan B., der sich neben den Mordvorwürfen auch für gefährliche Körperverletzung, versuchte räuberische Erpressung mit Todesfolge, besonders schwere räuberische Erpressung, Volksverhetzung und fahrlässige Körperverletzung verantworten muss. Bis Mitte Oktober sind vorerst 18 Verhandlungstage am Magdeburger Landgericht geplant. Die Verhandlung führt der Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichtes Naumburg. 40 Nebenkläger sind zugelassen, darunter Angehörige der Opfer und Mitglieder der Jüdischen Gemeinde.

Tat im Internet gestreamt

In der Anklageschrift heißt es: "Stephan B. plante aus einer antisemitischen, rassistischen und fremdenfeindlichen Gesinnung heraus einen Mordanschlag auf Mitbürgerinnen und Mitbürger jüdischen Glaubens." Dazu habe er sich mit acht Schusswaffen, mehreren Sprengsätzen, Helm und Schutzweste ausgerüstet und sei am 9. Oktober 2019 zur Synagoge in der Humboldtstraße in Halle gefahren. Zum Zeitpunkt des Attentats hielten sich in der Synagoge zum höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur 52 Gläubige auf, darunter viele Gäste von außerhalb. Der Attentäter filmte seine Tat mit einer Helmkamera und verbreitete die Aufnahmen im Internet. In den sozialen Netzwerken leugnete er laut Anklage auch den Holocaust.

Eine fast unscheinbare Holztür in einer Steinmauer verhindert am 9. Oktober 2019 das Eindringen des Attentäters auf das Synagogengelände. Stephan B. erschießt dann vor der Synagoge eine 40 Jahre alte Passantin, die zufällig vorbeikommt und ihn offenbar angesprochen hat. Er soll der Frau mehrfach in den Rücken geschossen haben. In einem nahe gelegenen Döner-Imbiss erschießt Stephan B. dann einen weiteren Menschen: Der 20 Jahre alte Mann verbrachte in dem Imbiss seine Mittagspause. Später, auf der Flucht, feuert der Täter in Landsberg-Wiedersdorf auf einen Anwohner und seine Lebensgefährtin und verletzt sie schwer. Den Tod der beiden nahm er dabei laut Anklageschrift billigend in Kauf.

Fluchtversuch

Seit seiner Festnahme sitzt Stephan B. in Untersuchungshaft, nach einem gescheiterten Fluchtversuch wurde er von der JVA Halle in das Hochsicherheitsgefängnis nach Burg verlegt. Laut einem "Spiegel"-Bericht vom 18. Juli attestiert der forensische Psychiater Norbert Leygraf dem Attentäter in einem Gutachten für den Prozess eine komplexe Persönlichkeitsstörung mit autistischen Zügen. Seine Schuldfähigkeit sei dennoch nicht beeinträchtigt gewesen. Der Täter habe nicht im Wahn gehandelt, das Unrecht seiner Taten sei ihm bewusst gewesen.

Aus Platzgründen findet der Prozess am Magdeburger Landgericht statt, nicht in Naumburg. Das Medieninteresse ist groß. Im Sitzungssaal selbst können 44 Medienvertreter und 50 Zuschauer den Prozess verfolgen. Die Plätze wurden ausgelost. Weitere 29 Presseplätze gibt es in einem Raum mit Tonübertragung. Neben strengen Sicherheitsvorkehrungen gibt es auch Corona-Maßnahmen. Ein Mund-Nasenschutz ist vorgeschrieben.