Die berühmten Repräsentanten der US-Kunst der 60er und 70er Jahre haben zwei Dinge gemeinsam: Sie sind weiß und männlich. Andy Warhol, Roy Lichtenstein, Claes Oldenburg oder Robert Indiana etwa wurden als Vertreter der Pop Art berühmt. Das Kölner Museum Ludwig kann als Eigentümer der weltweit größten Pop Art-Sammlung außerhalb der USA mit Schlüsselwerken dieser Künstler aufwarten.

Doch für Museumsdirektor Yilmaz Dziewior ist das kein Grund, sich auf diesen Schätzen des Museumsbestandes auszuruhen. Die berühmten Pop-Art-Protagonisten seien zwar die Namen, die sich in die Kunstgeschichte eingeschrieben hätten. "Aber es gab viele mehr, die genauso relevant waren." Die Ausstellung "Mapping the Collection" begibt sich in einer neuen Ausstellung auf die Suche nach den weniger bekannten Künstlerinnen und Künstlern dieser Jahrzehnte.

"Es geht darum, ein Bild zu zeigen, das viel näher an der US-amerikanischen Realität ist", erklärt Janice Mitchell. Die Kuratorin hat die Museumssammlung US-amerikanischer Kunst im Rahmen eines Forschungsprojekts zwei Jahre lang hinsichtlich postkolonialer, feministischer, queerer und gender-theoretischer Fragestellungen untersucht.

Gesellschaftliche Reibungspunkte

In der Ausstellung, die bis zum 23. August zu sehen ist, ergänzt sie die bekannten Namen durch Vertreter unterschiedlicher Gesellschaftsgruppen, die bislang in der Kunstgeschichtsschreibung kaum auftauchen, darunter afroamerikanische und indigene Künstlerinnen und Künstler sowie feministische Positionen. Ihnen sei oftmals der Zugang zum Kunstmarkt und damit der Erfolg versperrt gewesen. "Wir finden, dass diese Künstlerinnen und Künstler viel mehr Beachtung verdienen", betont Dziewior. "Sie haben Fragen verhandelt, die auch heute wieder aktuell sind."

Tatsächlich berühren die Gemälde, Fotografien, Videoarbeiten und Skulpturen der 32 Künstlerinnen und Künstler gesellschaftliche Reibungspunkte, die heute in Zeiten der Anti-Rassismus-Proteste in den USA hochaktuell erscheinen. Da waren die Künstlerinnen und Künstler der Black-Power-Bewegung, die Rassismus und Sexismus innerhalb der US-amerikanischen Gesellschaft anprangerten. David Hammons Bild "Feed Folks" (1974) etwa zeigt die blassen Umrisse eines alten afroamerikanischen Mannes mit weißem Bart vor einer in kräftigen Farben leuchtenden US-Flagge. In der Hand trägt er in der Haltung eines Bettlers eine etwas zerknautschte Bierdose. Unterhalb sind die Schriftzüge "Feed" und "Folks" zu lesen: Eine kritische Anspielung auf eine Regierung, die lieber in patriotische Selbstdarstellung investiert, statt sich um die Bekämpfung von Armut und Rassismus im Land zu kümmern.

Robert Indianas "LOVE"-Schriftzug in Schwarz-Weiß

Flankiert wird das Bild von einem Werk Robert Indianas. Der Pop-Art-Künstler wurde bekannt für seine "LOVE"-Schriftzüge. In der Ausstellung wird eine schwarz-weiße Variante präsentiert, die in Kombination mit den kritischen Werken des afroamerikanischen Künstlerkollegen mit anderen Augen gesehen werden kann.

Nicht nur die Proteste gegen Rassismus erfuhren Ende der 60er und in den 70er Jahren einen ersten Höhepunkt. Auch die Diskussion um die Geschlechtergerechtigkeit entstand in dieser Zeit und ist durch die Me-too-Debatte wieder aktuell. Die weiblichen künstlerischen Positionen fanden Ende der 60er Jahre trotz Frauenbewegung deutlich weniger Beachtung als die der Männer. In Köln sind nun einige Werke zu sehen, die sich mit der gesellschaftlichen Perspektive von Frauen beschäftigen. Die kubanisch-amerikanische Künstlerin Ana Mendieta klebte sich für die Fotoserie "Untitled (Gesichtshaartransplantation)" (1972) einen Schnäuzer aus abrasierten Barthaaren ins Gesicht. Damit bricht sie mit landläufigen Vorstellungen vom Erscheinungsbild eines männlichen oder weiblichen Körpers.

Weibliche Stimme der Antikriegsbewegung

Eine wichtige weibliche Stimme unter den Künstlerinnen und Künstlern der Antikriegsbewegung der 60er Jahre war Corita Kent. Sie verband die Pop Art mit einer Botschaft der Liebe und des Mitgefühls. Auch Kent, die einen Großteil ihres Lebens als katholische Nonne verbrachte, arbeitet mit Schrift und Schlagworten. Ihr Siebdruck "American sampler" (1969) etwa spielt mit dem Begriff "assassination" (Ermordung), den sie durch unterschiedliche Farbgebung verändert. Durch die Aufspaltung ruft sie unterschiedliche Assoziationen hervor, die auf die Rolle der USA im Vietnamkrieg anspielen, etwa durch die Aufteilung des Wortes in "assassi" und "nation".

Mendieta und Kent gehören zu den weniger bekannten Positionen, die das Museum Ludwig bereits in seinem Bestand ergänzt hat. Auch eine Farbfeld-Malerei von Leon Polk Smith, die sich nahtlos in die Reihe der beiden bedeutendsten Vertreter des Genres, Kenneth Noland und Morris Louis einreiht, besitzt das Museum seit kurzem. Dziewior will die Sammlung in diese Richtung weiter entwickeln. "Es soll nicht bei einer einmaligen Ausstellung bleiben", kündigt er an.