Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) will in dieser Woche einen Gesetzentwurf zur Verschärfung der Strafen für Kindesmissbrauch vorlegen. Sie wolle, "dass in Zukunft jeder sexuelle Missbrauch ohne Wenn und Aber ein Verbrechen ist", sagte sie am 19. Juni im Bundestag in Berlin. Lambrecht wehrte sich gegen den Vorwurf, zu spät und zu zögerlich gehandelt zu haben, der auch von Unionspolitikern erhoben worden war.

Lambrecht hatte angekündigt, die Mindeststrafen für Kindesmissbrauch und den gewerbsmäßigen Handel und Tausch von Missbrauchsdarstellungen zu erhöhen. Im Bundestag fügte sie hinzu, sie wolle auch die Strafen für den Besitz von sogenannter Kinderpornografie verschärfen. Hinter jeder dieser Darstellungen stehe ein Missbrauch, sagte die SPD-Politikerin.

Mit Blick auf die schweren Missbrauchsfälle in Münster, Bergisch Gladbach und Lügde sagte Lambrecht, "diese systematisch organisierten Gräueltaten gegenüber Kindern lassen uns fassungslos zurück". Solche Täter handelten planmäßig, täuschten ihr Umfeld und setzten die Opfer perfide unter Druck. Selbst bei schweren Missbrauchsverbrechen werde aber nur in 0,5 Prozent aller Verurteilungen der Strafrahmen von bis zu 15 Jahren ausgeschöpft. Auch bei schweren Fällen werde zudem jede dritte Strafe zur Bewährung ausgesetzt, erklärte Lambrecht.

Die Justizministerin hatte es zunächst abgelehnt, die Strafen zu verschärfen und darauf verwiesen, dass das Strafmaß besser ausgeschöpft werden müsse. Sie gab aber dann dem Druck aus der Union nach.

Der stellvertretende Unionsfraktionsvorsitzende Thorsten Frei (CDU) sicherte Lambrecht die Zusammenarbeit zu. Er lehnte aber die Forderung der SPD-Politikerin ab, auch die Aufnahme von Kinderrechten ins Grundgesetz zu verhandeln. "Im Grundgesetz steht nichts, das uns hindern würde, alles Notwendige zu tun, um unsere Kinder zu schützen", sagte Frei.

Giffey dringt auf Kinderrechte im Grundgesetz

Auch Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) forderte am 19. Juni bei einer Video-Pressekonferenz in Berlin die Aufnahme der Kinderrechte ins Grundgesetz. Im Koalitionsvertrag hatten die Regierungsparteien die Verankerung von Kinderrechten im Grundgesetz vereinbart. Lambrecht hatte im November 2019 einen Gesetzentwurf dazu vorgelegt.

Zu der Debatte um höhere Strafen bei Kindesmissbrauch sagte Giffey, ihr Ministerium unterstütze alle Anstrengungen in dieser Hinsicht. Man müsse entschlossen gegen "unzählige Terabytes ankämpfen", sagte sie. Giffey und der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, teilten außerdem mit, dass im kommenden Jahr eine Aufklärungs- und Sensibilisierungskampagne ausgerollt werden soll. Bislang sind fünf Millionen Euro dafür vorgesehen.

Nach Überzeugung des Missbrauchsbeauftragten reichen schärfere Gesetze allein nicht aus im Kampf gegen Kindesmissbrauch. Strafrechtsverschärfungen seien "eindeutig wichtig", sagte Rörig. Aber man müsse auch vermeiden, dass einem 16-Jährigen, der einer 13-Jährigen einen Zungenkuss gebe, demnächst eine Strafe drohe.

Der Kampf gegen Kindesmissbrauch komme immer nur dann voran, wenn Missbrauchsskandale wie jüngst in Münster öffentlich würden, kritisierte der Missbrauchsbeauftragte. Dabei sei der Kampf eine andauernde Aufgabe vor allem mit Blick auf die vielen Kinder und Jugendlichen, die tagtäglich unsichtbar zum Opfer würden, sagte er.