Vorne am Grenzzaun wird gelacht. Drei Freundinnen haben sich hier verabredet, um endlich einmal wieder zu klönen. Eine steht auf der Schweizer Seite, zwei auf der deutschen Seite im Konstanzer Gebiet "Klein Venedig". Auch diese beiden halten Abstand, laut müssen alle drei sprechen. Denn zwei Meter beträgt die Distanz, der doppelte Zaun macht Diskretion unmöglich. So schnappt man Satzfetzen auf, um den kleinen Sohn der einen geht es gerade, um seine Beschäftigung rund um die Uhr, um volle Windeln. Alltagsgespräche in Zeiten der Corona-Pandemie.

"Wir haben uns verabredet, damit wir uns nach drei Wochen endlich wieder sehen können", sagt eine. Die Situation finden sie selbstredend "weniger schön". Vorher war die Grenze gar nicht spürbar, jetzt ist sie wegen der Corona-Krise geschlossen. Nun spielt plötzlich die Nationalität wieder eine große Rolle. "Eine weit größere, als man dachte", gibt eine der Deutschen zu Protokoll.

Doppeltes Pech

Die dritte Freundin ist auch Deutsche, wohnt aber im schweizerischen Kreuzlingen und darf jetzt nicht mehr rüber. Einschränkungen im Alltag hat sie kaum: "Okay, ich darf nicht mehr in Deutschland einkaufen". Ihre Namen wollen die Freundinnen aber nicht nennen: "Wir sind alle drei im öffentlichen Dienst. Das ist eine andere Rolle." Jetzt sind sie privat da. Für die Grenzschließung zeigen sie Verständnis: "Wenn man sich an die Regeln hält, kann man auch damit umgehen. Der Grund dafür ist in Ordnung."

Zwanzig Meter weiter weg vom See geht es traurig zu. Ein Paar sitzt hier, zu Boden gesunken sind beide. Sie plaudern leise über die Distanz. Man darf stören und erfährt, welch doppeltes Pech beide gerade haben. Etienne wohnt in Singen und geht am Gymnasium in Gaienhofen in die Abiturklasse. Seine Schweizer Freundin Maria wohnt in St. Gallen, sie steht ebenfalls kurz vor der Matura. Schwierige Zeiten für die Vorbereitung der Abschlussprüfungen, das private Kontaktverbot kommt erschwerend hinzu.

Erst zum zweiten Mal treffen sie sich hier am Zaun. Dieses Mal dürfen sie sich nicht einmal mehr umarmen. Etienne hat seiner Freundin ein T-Shirt mitgebracht, er wollte es ihr hinüberwerfen. Sofort wurden sie ermahnt: Das ist verboten, kein Austausch von Gegenständen, egal welcher Art! Die Schweizer Grenzer seien aber freundlich gewesen, so berichten die beiden: Das nächste Mal sei eine Buße fällig, 100 Schweizer Franken wurden angedroht. Dieses Mal beließen es die Grenzer bei einer Ermahnung - und Marie durfte das T-Shirt behalten. "Die Zöllner können auch nichts dafür", zeigt sich Etienne verständnisvoll.

Seit zwei Jahren sind die beiden ein Paar, sich zu besuchen war bislang kein Problem. Mit dem Zug fuhr Etienne von Singen nach Konstanz, über Kreuzlingen ging es flott nach St. Gallen. Jetzt sind sie betrübt: "Paar sein reicht nicht aus", sagen sie. Es ist kein Grund für einen Grenzübertritt. Eine Änderung ist zudem nicht in Sicht.

Provisorischer Zaun verdoppelt

Umarmungen und Ball spielen sind inzwischen verboten, Austausch von Gegenständen sowieso. Mitte März, nach der Grenzschließung, hatte die deutsche Bundespolizei zunächst einen Zaun aufgestellt. Am vergangenen Freitag wurde der provisorische Zaun verlängert und auf der Schweizer Seite verdoppelt.

2006 war der frühere Grenzzaun zwischen Kreuzlingen und Konstanz abgebaut und durch eine "Kunstgrenze" ersetzt worden. Bis vor wenigen Wochen konnten Spaziergänger noch ungehindert am Seeufer entlang schlendern und die roten Tarot-Figuren passieren. "Die Skulpturen des Künstlers Johannes Dörflinger stehen als Symbol für ein friedliches Europa ohne Grenzen", hieß es in einer Mitteilung der Stadt Konstanz.

Zurück zum Zaun - nach der Grenzschließung. "Am Wochenende war es richtig voll hier", berichten zwei Konstanzerinnen. Sie wissen noch eine Geschichte vom Vormittag zu berichten: Ein Enkel hatte seine Gitarre mitgebracht - und dem Opa auf der anderen Seite ein Lied gespielt.