Der Arbeiter im grauen Kittel, der im Ausstellungssaal der Bundeskunsthalle mit seiner Leiter hantiert, ist nicht gut auf seine Arbeitsbedingungen zu sprechen. "Wir machen alles und am Ende reicht es kaum zum Monatsende", klagt er, während sein Kollege auf einer Kiste sitzt und missmutig vor sich hin stiert. Die beiden vom US-Künstler Duane Hanson geschaffenen Arbeiter sehen täuschend echt aus. Richtig sprechen können sie zwar nicht. Doch die Besucher der Ausstellung "Wir Kapitalisten. Von Anfang bis Turbo" können per Smartphone mit den beiden Männern über die Ungerechtigkeiten des Arbeitslebens chatten. Ein "Kapitalismus Game" macht es möglich.

Die Bundeskunsthalle nimmt den Kapitalismus in einer Zeit unter die Lupe, in der vielen Deutschen Zweifel an dem Wirtschaftssystem gekommen sind. Anfang des Jahres ließ eine Studie des "Edelman Trust Barometer" aufhorchen, wonach 55 Prozent der befragten Menschen in Deutschland finden, dass Kapitalismus der Welt mehr schadet als nutzt. Und eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Allensbach ergab, dass nur 48 Prozent eine gute Meinung vom Wirtschaftssystem in Deutschland haben.

DNA des Kapitalismus

Möglicherweise ist es Zeit, dem Phänomen Kapitalismus einmal auf den Grund zu gehen. Die Bundeskunsthalle tut das mit einer breit angelegten kulturhistorischen Perspektive anhand von rund 250 Objekten aus Kunst, Geschichte und Alltagskultur. Dabei geht die Ausstellung, die bis zum 12. Juli zu sehen sein soll, nicht chronologisch vor. Sie beleuchtet stattdessen die Hauptmerkmale, welche die "DNA" des Kapitalismus bilden. Dazu gehören Themen wie Rationalisierung, Individualisierung, Geld, Beschleunigung und wirtschaftliches Wachstum.

Die Ausstellung startet mit einem Blick auf die Grundlage des Kapitalismus: Die Rationalisierung von Arbeitsprozessen. Das Streben danach, zufällige Verfahren durch geplante und berechenbare Vorgehensweisen zu ersetzen, begann nicht erst mit der Industrialisierung. Basis des Kapitalismus waren etwa buchhalterische Methoden wie die doppelte Buchführung. Eine Abbildung im "Trachtenbuch" von Matthäus Schwarz zeigt den Hauptbuchhalter der einflussreichen Kaufmannsfamilie Fugger in seinem Kontor. Er hatte die Methode aus Genua mitgebracht, wo sie schon Mitte der 14. Jahrhunderts angewendet wurde.

Land als Produktionsmittel

Im Bereich der Mechanik waren Wassermühlen lange das Mittel der Wahl, die sogar noch in Zeiten der Industrialisierung genutzt wurden. In Gemälden wie Arthur Brusenbauchs "Alte Mühle" (1920) wird die Kraft des Wassers immer wieder gerne thematisiert. Vom vergleichsweise idyllischen Mühlrad geht es dann zum Fließband, an dem zum Beispiel die Arbeiterinnen des Berliner Glühlampenwerks "Rosa Luxemburg" 1975 ihre monotone Arbeit verrichten. Die Produktionsprozesse werden standardisiert. Sowohl Möbel als auch Häuser werden in Serie aus vorgefertigten Bauteilen zusammengesetzt. Beispiele sind der berühmte Thonet Bistro-Stuhl oder auch die Reihenhäuser der Bauhaussiedlung in Dessau.

Eine entscheidende Triebfeder des Kapitalismus ist das Gewinnstreben. Auch Land wird als Produktionsmittel betrachtet, aus dem das meiste Kapital geschlagen werden soll. So vertrieben in Deutschland mitunter Lehnsherren Kleinbauern, wenn sich eine gewinnträchtigere Nutzung des Landes anbot, etwa der hohe Wollpreis die Haltung großer Schafherden lukrativ machte. Ähnliches geschieht auch im 21. Jahrhundert noch, wie der österreichische Filmemacher Kurt Langbein dokumentiert. Er lässt frühere Bauern in Kambodscha zu Wort kommen, denen ihr Land für den Anbau von Zuckerrohr geraubt wurde. Der Zucker wird nun gewinnbringend nach Europa exportiert.

Zeit ist Geld

Der Kapitalismus basiert nicht nur auf Geldwirtschaft, sondern hat auch Zeit zu einer Währung gemacht. Während zum Beispiel bei der Akkord-Arbeit in Fabriken Zeit zu Geld wird, bringt die Beschleunigung von Innovationsprozessen neuen Gewinn. Deutlich wird das zum Beispiel an dem kleinen Siemens-Handy, das Bundeskanzlerin Angela Merkel 2003 benutzte. Das damalige Spitzenmodell wirkt im Zeitalter der Smartphones nur 17 Jahre später schon antiquiert.

Die rasende Innovation und der damit verbundene Energie- und Rohstoffverbrauch hat seinen Preis. Die Ausstellung entlässt die Besucher mit Überlegungen zu einem entschleunigten Kapitalismus der Zukunft.

Die Frage nach dem eigenen kapitalistischen Verhalten können die Besucher mit Hilfe des "Kapitalismus-Game" klären. Bei dem Spiel können sie Punkte sammeln und im Laufe der Ausstellung in "Kaufgesprächen" mit einzelnen Exponaten in Kontakt treten. Am Ende erhalten sie ein Feedback zum eigenen Konsumverhalten.