Seit 2010 gibt der Oldenburger Lappan-Verlag einen schmalen Cartoonband heraus, der aus den besten komischen Zeichnungen des Jahres besteht. Seit 2016 dienen diese "Besten Bilder" als Auswahlgrundlage für den Deutschen Cartoonpreis. Zum Jubiläum der bei Teen- wie Best Agern beliebten Reihe präsentiert das Frankfurter Caricatura-Museum bis zum 14. Juni eine große Sonderausstellung.

Die 274 Exponate fangen nach den Worten von Caricatura-Leiter Achim Frenz Geschehnisse und Stimmungen ein und diskutieren sie mit allen Mitteln des Satirischen: Verzerrung, Übertreibung, Mehrdeutigkeit, Ironie, Zynismus. Darüber hinaus gäben sie einen Überblick über die Entwicklung von Satire und Humor im deutschsprachigen Raum, aber auch der Zeichenstile.

Missbrauchsskandal und Vuvuzelas

Ihre humoristischen Fingerabdrücke hinterlassen in Frankfurt insgesamt 81 Künstlerinnen und Künstler, darunter Renate Alf, Harm Bengen, Peter Butschkow, Gerhard Glück, Katharina Grewe, Gerhard Haderer, Rudi Hurzlmeier, Til Mette, Stephan Rürup und Tetsche.

Sie lassen die Höhe- und Tiefpunkte des Jahrzehnts witzig-leicht oder bitter-böse Revue passieren: Angefangen von dem 2010 aufgedeckten Missbrauchsskandal im katholischen Canisius-Kolleg in Berlin, den nervtötenden Vuvuzelas zur Fußball-WM in Südafrika, über das Anwachsen des Populismus und des Rechtsextremismus, der griechischen Finanz- und der deutschen Dieselkrise bis hin zu den falschen Heilsversprechungen von Google, Facebook, Youtube und Co.

Jede Menge Lästerfutter bieten den Cartoonisten auch die Skandalnudeln Tebartz van Elst, Uli Hoeneß und Alice Schwarzer, der Zündler Wladimir Putin, der Superman Donald Trump und die Klimaschutz-Ikone Greta Thunberg, die die Zeichnerin Dorthe Landschulz in Anspielung an den marxistischen Revolutionär und Guerillaführer Che Guevara "Che Guegreta" nennt.

Gezeichneter Protest nach "Charlie Hebdo"-Attentat

Der Überblick über die besten Cartoons versammele nicht nur alle, "die mit Zeichengerät und wachem Geist die Zeitläufe in ihren Absonderlichkeiten bis zum Wahnsinn aufs Korn nehmen", schreibt der frühere Linken-Fraktionschef im Bundestag, Gregor Gysi, im Vorwort des rechtzeitig zur Ausstellung erschienenen Bandes "10 Jahre Beste Bilder". Sie erinnerten auch an "die Momente in dieser Zeit, in denen menschliche Werte unseres Zusammenlebens außer Kraft gesetzt schienen".

Zum Beispiel an den islamistischen Anschlag auf die Pariser Satirezeitschrift "Charlie Hebdo" im Januar vor fünf Jahren. Der heimtückische Angriff, bei dem elf Menschen kaltblütig ermordet wurden, veranlasste fast alle Cartoonisten zum gezeichneten Protest. Fast schon ikonischen Charakter hat die Arbeit "Der Tag danach" des österreichischen Zeichners Gerhard Haderer. Sie zeigt einen Wald aus frisch gespitzten Riesenbuntstiften, der einem vermummten Attentäter mit Kalaschnikow bedrohlich auf die Pelle rückt.

Europäischer Zynismus

Immer wieder spießen die Zeichner das Schicksal der Flüchtlinge auf, die auf Seelenverkäufern von Libyen oder der Türkei aus über das Mittelmeer ins gelobte Land unterwegs sind. Sie scheitern entweder am Zynismus der Europäer wie in dem Cartoon von Denis Metz, der zwei Personen an der Reling eines Supertankers belauscht: "Wir können euch nicht mehr aufnehmen, sonst wählen noch mehr die AfD". Oder die Wahrnehmung der Elendsgestalten aus Afrika scheint getrübt zu sein von der gefährlichen Überfahrt, wie auf der Zeichnung von Greser & Lenz aus dem Jahr 2015. Dort kreuzt ein voll besetztes Boot auf dem Mittelrhein vor dem Loreleyfelsen.

Besonders drastisch drückt Rainer Ehrt seine Enttäuschung und seine Wut über das Wegsehen der Reichen und Satten im Norden aus. Auf seinem Aquarell aus dem Jahr 2018 ist ein überfülltes Flüchtlingsboot dargestellt, das gerade von einer Monsterwelle erfasst wird. Im Hintergrund stehen aufgereiht übergroße Figuren, die sich die Flaggen der EU, Italiens, Griechenlands, Frankreichs, Spaniens, Ungarns, Österreichs und Deutschlands vor die Augen halten.