Berlin (epd). Der Klimawandel verschärft nach Einschätzung von Hilfsorganisationen die Schuldenkrise in vielen Ländern. Wirbelstürme, Starkregen und Dürren seien für hoch verschuldete Länder eine besondere Gefährdung, weil ihnen im Katastrophenfall Geld fehle, um schnelle und effektive Hilfe leisten zu können, heißt es in dem am 27. Januar in Berlin veröffentlichten Schuldenreport 2020. Der Bericht zur Verschuldungssituation von Entwicklungs- und Schwellenländern wird jährlich vom deutschen Entschuldungsbündnis Erlassjahr und dem Werk für Entwicklungszusammenarbeit Misereor erstellt. Beide Organisationen fordern eine Entschuldungsinitiative für Länder, die durch den Klimawandel immer stärker von Naturkatastrophen betroffen sind.
Demnach sind 124 der 154 untersuchten Entwicklungs- und Schwellenländer kritisch verschuldet. Besonders problematisch sei die Verschuldungssituation in Bhutan, der Mongolei, Sri Lanka, Dschibuti, Kap Verde, Mosambik, Sudan, Argentinien, El Salvador, Jamaika, Libanon und Kirgisistan. Absolut betrage die Auslandsverschuldung aller betrachteten Länder rund 7,08 Billionen Euro.
Sorge um Argentinien
19 Staaten hätten aktuell die Zahlungen an ihre ausländischen Gläubiger ganz oder teilweise einstellen müssen, heißt es in dem Bericht. "In den vergangenen Jahren waren kleine Staaten wie Somalia, Eritrea oder der Sudan zahlungsunfähig. Es ist ein weiteres Warnzeichen, dass sich mit Argentinien nun auch das erste wirtschaftliche Schwergewicht im teilweisen Zahlungsausfall befindet", sagte Jürgen Kaiser, Politischer Koordinator bei Erlassjahr.
Schwerpunkt des diesjährigen Schuldenreports sei die doppelte Verwundbarkeit von Ländern, die an klimabedingten Naturkatastrophen und einer zunehmenden Schuldensspirale leiden. Erlassjahr und Misereor verwiesen darauf, dass das südliche Afrika aktuell von einer Hungerkrise bedroht sei, darunter hoch verschuldete Länder wie Mosambik, Sambia und Simbabwe.
"Ökologische Schulden"
Bei klimabedingten Naturkatastrophen müsse es einen automatischen Zahlungsstopp der laufenden Schuldenzahlungen gebe, sagte Kaiser. Danach müsse es mit allen Gläubigern Neuverhandlungen geben mit dem Ziel, die Verschuldung auf ein tragfähiges Maß zu senken. Die Bundesregierung sollte sich bei den Klimaverhandlungen ebenso wie im Financing-for-Development-Prozess der Vereinten Nationen und im Internationalen Währungsfonds für eine Entschuldungsoption zugunsten von Ländern einsetzen, die besonders vom Klimawandel betroffen sind.
Für das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung betonte der Referatsleiter Klimapolitik, Martin Kipping, dass auch die langfristigen Folgen des Klimawandels wie der Anstieg des Meeresspiegels und die Versalzung des Grundwassers in den Blick genommen werden müssten. Er mahnte eine Debatte zur Klimagerechtigkeit an. So sei der globale Norden der Hauptverursacher des Klimawandels und habe somit "ökologische Schulden" beim globalen Süden. Das müsse finanziell ausgeglichen werden.