Jacques Tilly setzt ihnen rote Karnevalsnasen auf: Die evangelische Pfarrerin trägt eine grelle Pappnase, der katholische Bischof ebenso. Auch ein jüdischer Rabbiner und ein muslimischer Imam sind vor blauem Hintergrund auf den Seiten des interreligiösen "Toleranzwagens" zu sehen. Die Theologen sind karnevalistisch gut gelaunt.

Zum zweiten Mal zieht beim Rosenmontagszug in Düsseldorf ein Wagen der Religionsgemeinschaften durch die Straßen. Juden, Protestanten, Katholiken und Muslime stellten am 27. Januar den Mottowagen vor. Ihn gestaltete der bundesweit bekannte Wagenbauer Tilly.

Eine Besonderheit ist diesmal: Auf dem Wagen sind Mitglieder des überwiegend aus homosexuellen Muslimen bestehenden Kulturvereins "Orient-Okzident-Express - Engagierte Muslime im Rheinland" vertreten. Nach den Worten seines Vorsitzenden Ataman Yildirim hat der Verein für die Teilnahme die "vollste Unterstützung" des Kreises der Düsseldorfer Muslime (KDDM), der diesmal nicht mehr auf dem Wagen mitfährt.

Yildirim hofft, dass auf diese Weise "Muslime auch zu Playern im Karneval werden und diese gelebte Vielfalt mitgestalten". Er selbst habe beim Karneval erfahren, "dass das Paradies ja schon hier auf der Erde ist und man nicht erst sterben muss, um das zu entdecken", sagt der Sozialarbeiter.

Nasreddin, der muslimische Till Eulenspiegel

Auf dem "Toleranzwagen" ist deshalb laut Yildirim auch Hodscha Nasreddin als Held humoristischer Geschichten zu sehen. Nasreddin sitzt falsch herum auf einem Esel und will damit zeigen, dass man - egal wie - seinen Weg gehen kann. Nasreddin gilt als Pendant zu Till Eulenspiegel. "Einer muss den Narren spielen", meint Yildirim, dessen Verein "für alle offen da ist, die ein offenes Herz haben".

Der "Toleranzwagen" mit einer Besatzung von insgesamt 32 Närrinnen und Narren der vier Religionsgemeinschaften zeigt auch vier Symbole der Religionen und jeweils eines der Gotteshäuser in Düsseldorf. Über allem schwebt das närrische Sessionsmotto in der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt: "Unser Rad schlägt um die Welt", das der Brauchtumsfigur des Düsseldorfer Radschlägers huldigt.

Den Radschläger gab es nach den Worten des kommissarischen Stadtdechanten Frank Heidkamp vom katholischen Gemeindeverband Düsseldorf bereits im Jahr 1288. Damals feierte man in Düsseldorf den Sieg von Graf Adolf über das Heer des Kölner Erzbischofs. "Die Kinder schlugen das Rad vor Freude und Begeisterung über den Frieden", erzählt Heidkamp. Heute solle das Karnevalsmotto deutlich machen, "dass wir uns alle freuen, wenn es auf der ganzen Welt mehr Frieden, Toleranz und Freude gibt". Er sehe den Toleranzwagen auch "als gutes Zeichen dafür, dass wir uns hier in der Stadt auf den Weg dafür machen", betont der katholische Geistliche.

Jüdische Gemeinde stiftet eine halbe Tonne koschere Kamellen

In Zeiten mit zunehmendem Antisemitismus und Islam- und Christenfeindlichkeit wollen die vier Religionsgemeinschaften auch hierzulande "ein Zeichen setzen, dass wir zusammen Karneval feiern und gemeinsam Spaß haben können", erklärt Düsseldorfs Oberbürgermeister Thomas Geisel (SPD). Er wünsche sich, dass die Idee des Toleranzwagens auch in anderen Karnevalsstädten Nachahmer findet.

Erneut sollen wieder rund zwei Tonnen Wurfmaterial vom Wagen der Religionen ins närrische Volk geworfen werden. Darunter auch eine halbe Tonne koschere Kamellen, die die Jüdische Gemeinde bereitstellt.

2021 zieht der "Toleranzwagen" jedoch nicht mehr in Düsseldorf mit, wie Koordinator Walter Schuhen von der Jüdischen Gemeinde sagt: "Dann ist das Projekt offiziell beendet, was im nächsten Jahr passiert, ist noch unklar." Der Superintendent des evangelischen Kirchenkreises Düsseldorf, Heinrich Fucks, will das Thema beim kommenden Rat der Religionen in der Stadt ansprechen. Vielleicht könne man ja auch die Buddhisten, Hinduisten oder orthodoxen Christen zur Teilnahme an einem neuen Projekt gewinnen.