Die Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen, Annette Kurschus, warnte vor einem Missbrauch des christlichen Glaubens. Wer diesen dafür benutze, "sich von anderen abzugrenzen und eine Trennlinie zu den 'Ungläubigen' zu markieren, ist nicht auf der Spur Christi unterwegs", sagte Kurschus am 1. Januar im Neujahrsgottesdienst in der Dresdner Frauenkirche, der live im ZDF übertragen wurden.

Die Liebe Gottes gelte bedingungslos allen, betonte die westfälische Präses, die auch stellvertretende Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ist. "Niemand hat das Recht, die weit geöffnete Tür der Liebe Gottes in eine enge Pforte zu verwandeln, an der Glaubensprüfungen stattfinden und der Einlass nur Auserwählten gewährt wird", sagte Kurschus laut Predigttext. Im Mittelpunkt der Predigt stand die biblische Jahreslosung für 2020 "Ich glaube, hilf meinem Unglauben" aus dem Markusevangelium.

Der rheinische Präses Manfred Rekowski ermutigte Christen, bei Glaubenszweifeln Stärkung im Gebet zu suchen. "Wenn der Glaube auf Wirklichkeit trifft, dann geht ihm nicht selten die Luft aus", sagte Rekowski in der Pauluskirche in Hückeswagen. Dann stellten Menschen fest, dass der Glaube an die heilende Kraft Jesu nicht sogleich alle Suchtprobleme löse oder quälende Sorgen beseitige. Doch Gottes Möglichkeiten seien noch nicht am Ende, wenn die Menschen keine Möglichkeiten mehr erkennen könnten, betonte der leitende Theologe der Evangelischen Kirche im Rheinland. Zweifel und Anfechtungen könnten zum Impuls werden, Christus um eine Stärkung des Glaubens zu bitten, "der uns die Gelassenheit schenkt, unser Leben im neuen Jahr getrost aus Gottes Hand entgegen zu nehmen".

Generationskonflikte

Nach Ansicht des Aachener Bischofs Helmut Dieser fühlen sich zu viele Menschen übersehen. Sie kämen sich vor wie im Wartezimmer, "wo man unerklärlicher Weise übergangen wird", beklagte der katholische Geistliche in einer Predigt zum Jahreswechsel im Aachener Dom. Darin liege Sprengstoff für die Gesellschaft, aber auch eine Herausforderung für die Kirche. Jüngere Generationen, die mit der Digitalisierung aufgewachsen seien, fühlten sich nicht selten "von den Altvorderen" zu wenig geschätzt und verstanden. Auch die junge Umweltbewegung "Fridays for future" wolle das Abwarten nicht mehr ertragen, sagte Dieser laut Redetext. Die Frage sei, wie die vielen Menschen etwas Gutes Gemeinsames entstehen lassen könnten. Das gelinge nur, wenn ihre Zukunftschancen nicht mehr von der Herkunft abhängig seien.

Auch der Münsteraner Bischof Felix Genn rief zu mehr Miteinander auf. Wo man hinschaue, erlebe man Unfrieden, Terror, Gewalt und unzählige Tote angesichts politischer Unruhen, sagte Genn im Silvestergottesdienst in Münster. "Wo wir auch hinblicken, treffen wir auf Personen, die nicht wie Friedensboten aussehen, sondern Distanz und Misstrauen wecken", sagte Genn. Auch in Deutschland sei die Situation von großer Unsicherheit und einer Spaltung der Gesellschaft gekennzeichnet. Der Paderborner Erzbischof Hans-Josef Becker sagte im Paderborner Dom, Zeit könne hier zum kostbaren Geschenk werden, das Menschen füreinander haben.

Overbeck: Kirche muss wieder mehr Glaubwürdigkeit erlangen

Der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck forderte vor dem Hintergrund der Debatte um sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche mehr Demut. Dazu gehöre auch, über die Lebensform der Priester zu debattieren und Konsequenzen zu ziehen aus der Erfahrung, "dass das zölibatäre Leben für nicht wenige Priester eher eine schwere Last bedeutet und keine Befreiung für einen größeren Dienst ist", sagte Overbeck laut Predigttext am Neujahrstag im Essener Dom. Auch die Frage nach der Rolle der Frau in der katholischen Kirche stelle sich immer dringlicher. Die katholische Kirche sei gut beraten, heute keine Mauern auf Dauer zu verfestigen, mit denen Frauen die Teilhabe an der Mitverantwortung verweigert werde, erklärte Overbeck.

Die katholische Kirche in Deutschland hatte am 1. Dezember den "synodalen Weg" gestartet, ein Beratungsprozess, an dem sowohl die Bischöfe als auch Laien beteiligt sind. Er soll Reformen in Gang setzen. Themen sind Macht und Gewaltenteilung, Sexualmoral, der Pflichtzölibat sowie die Rolle der Frauen in der Kirche.