Nach Bekanntwerden der Stasi-Vergangenheit des Verlegers Holger Friedrich wünscht sich der Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, Roland Jahn, von der "Berliner Zeitung" eine intensive Auseinandersetzung mit dem Unrecht in der DDR. "Ich hoffe, dass es dem Berliner Verlag und der Redaktion insgesamt darum geht, über die SED-Diktatur aufzuklären und nicht nur darum, schnell aus den negativen Schlagzeilen zu kommen", sagte Jahn dem Evangelischen Pressedienst (epd). Er warnte zugleich vor der Erwartung, im Fall Friedrich zu einem letztgültigen Urteil zu kommen: "Es geht um Aufklärung, nicht um Abrechnung."

Jahn sagte, die aktuelle Situation sei eine Chance, sich der Geschichte im geteilten Deutschland intensiver zu stellen. Nach Recherchen der "Welt am Sonntag" hatte der neue Eigentümer des Berliner Verlags, Holger Friedrich, bestätigt, dass er Inoffizieller Mitarbeiter (IM) der Stasi war. Die Redaktion der zum Verlag gehörenden "Berliner Zeitung" hat angekündigt, den Fall journalistisch aufklären zu wollen. Bei der Sichtung der Akten sollen die frühere Leiterin der Stasi-Unterlagen-Behörde, Marianne Birthler, und der Historiker Ilko-Sascha Kowalczuk unterstützen.

"Nicht den Oberrichter spielen"

Jahn sagte, der Fall Friedrich habe deutlich gemacht, "dass die Vergangenheit die Gesellschaft immer wieder einholt, wenn sie nicht aufgearbeitet wird". Es reiche nicht, Konflikte von damals zuzudecken. "Es gilt, sie zu bereinigen", sagte der 66-Jährige. Dazu gehöre Transparenz und eine Auseinandersetzung über die individuelle Verantwortung, die jeder Einzelne für sein Verhalten im Unrechtsstaat DDR hatte, ergänzte Jahn, der seit 2011 Bundesbeauftragter ist.

"Wenn jemand in die Öffentlichkeit tritt oder sich zur Öffentlichkeit in Beziehung setzt - beispielsweise als Verleger - ist es schon angebracht, transparent mit der eigenen Biografie umzugehen", sagte Jahn. Das gelte besonders dann, wenn man Betrachtungen zur DDR-Vergangenheit publiziere. "Da sollte man dann auch bei sich selbst mit der Auseinandersetzung anfangen und relevante Ereignisse nicht verschweigen", sagte Jahn. Holger Friedrich und seine Frau Silke, die den Berliner Verlag im September übernommen hatten, hatten in einem Grundsatztext in einer Sonderausgabe zum 30. Jahrestag des Mauerfalls Lob für den letzten DDR-Staatsratsvorsitzenden Egon Krenz geäußert und damit für Irritationen gesorgt.

Jahn warnte dennoch vor schnellen Verurteilungen. "Keiner sollte sich anmaßen, den Oberrichter zu spielen", sagte er. "Mir geht es weniger um Schuldfragen, sondern um Verantwortung für das individuelle Verhalten in der Diktatur", ergänzte er.