Der frühere Präsident der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery ist am 19. November mit der diesjährigen Josef-Neuberger-Medaille der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf geehrt worden. Der 1952 in Hamburg geborene Radiologe, der nach Vorstandsämtern im Marburger Bund und in der Bundesärztekammer in den Vorstand des Weltärztebundes gewählt wurde, erhielt die Auszeichnung auf einem Festakt in der Düsseldorfer Synagoge.

Ex-Minister Gröhe würdigt Preisträger als "Brückenbauer"

Der frühere Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) würdigte Montgomery bei der Preisvergabe als "eindrucksvollen Brückenbauer zwischen deutschen und israelischen Medizinern". Die Auszeichnung der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf sei auch "ein eindeutiges Zeichen gegen jede Art von Antisemitismus", so Gröhe in seiner Laudatio auf Montgomery, der als erster deutscher Mediziner auch Präsident des Weltärztebundes ist.

Gröhe erinnerte daran, dass in der Zeit des Nationalsozialismus mindestens 2.000 Ärzte in Deutschland ermordet worden seien. 1933, im Jahr der Machtergreifung der Nazis, seien etwa elf Prozent aller Mediziner in Deutschland Juden gewesen. Viele von ihnen hätten maßgeblich zu den Erfolgen der Medizin beigetragen. Für die herausragende Bedeutung jüdischer Mediziner spreche zudem, dass bis heute 56 Mediziner jüdischer Abstammung mit dem Medizinnobelpreis ausgezeichnet worden seien, so der ehemalige Bundesgesundheitsminister.

Gröhe erinnerte in seiner Laudatio auf Montgomery auch daran, dass jüdische Ärzte 1934 aus den Gesundheitsberufen verbannt und vier Jahre später von den Nationalsozialisten mit Berufsverbot belegt wurden. "Bei keiner anderen Berufsgruppe war die nationalsozialistische Ideologie so erfolgreich wie bei den Medizinern", betonte der CDU-Politiker. Nach seinen Worten waren "45 Prozent der Mediziner in der NS-Zeit Mitglieder der NSDAP, neun Prozent Mitglieder der SS".

Die Ärzte hätten in Nazideutschland unter anderem an der Ermordung von rund 200.000 psychisch Kranken und Behinderten sowie an der Sterilisierung von etwa 360.000 weiteren Menschen mitgewirkt. "Ohne ethische Grenzen kann auch medizinischer Fortschritt schnell zum Fluch werden", warnte Gröhe.

Montgomery: Zu NS-Verwicklungen der Ärzte "zu lange geschwiegen"

Der Preisträger der undotierten Josef-Neuberger-Medaille, Frank Ulrich Montgomery, erklärte in seiner Dankesrede, aus dem Verhalten großer Teile der deutschen Ärzteschaft in der NS-Zeit leite sich eine starke Verantwortung ab. Montgomery kritisierte, dass die deutschen Ärztekammern zu ihren Verwicklungen im Nationalsozialismus "zu lange geschwiegen" hätten. Angesichts des heute wieder erstarkten Antisemitismus in Deutschland plädierte der Preisträger für eine starke Zivilcourage.

"Wir müssen in der Bildung und bei Informationen ansetzen. Eine Gewöhnung an Antisemitismus darf es in Deutschland nicht geben," forderte Montgomery weiter. Angesichts der verbalen Entgleisungen von Politikern der AfD im Hinblick auf die NS-Gräuel betonte der Preisträger: "Wir müssen an der roten Linie festhalten, die nicht überschritten werden darf."

Die Neuberger-Medaille ehrt Menschen oder Institutionen der nichtjüdischen Öffentlichkeit, die sich um die jüdische Gemeinschaft besonders verdient gemacht haben. Die Auszeichnung erinnert an den früheren nordrhein-westfälischen SPD-Politiker und Justizminister Josef Neuberger (1902-1977), der sich in den Nachkriegsjahren als Jude für das jüdische Gemeindeleben in Nordrhein-Westfalen eingesetzt hatte. Zu den früheren Preisträgern gehören unter anderem Bundeskanzlerin Angela Merkel, der frühere NRW-Ministerpräsident und spätere Bundespräsident Johannes Rau (SPD) und die Düsseldorfer Rockband "Die Toten Hosen".