Bis 2039 könnte laut einer aktuellen Studie jeder fünfte Rentner von Altersarmut betroffen sein. Innerhalb von 20 Jahren könnte der Anteil der von Armut bedrohten Senioren von derzeit 16,8 Prozent auf 21,6 Prozent steigen, erklärte die Bertelsmann Stiftung in einer am 12. September veröffentlichten Studie. Zu den größten Risikogruppen gehören demnach unter anderem Alleinstehende und Geringqualifizierte. Sozialverbände und die Diakonie forderten die rasche Einführung einer Grundrente sowie leichteren Zugang zu Rentenleistungen. Als armutsgefährdet gilt laut Studie, wer ein monatliches Nettoeinkommen unter 905 Euro hat.

Der Anteil der Rentner, die auf staatliche Unterstützung zur Existenzsicherung angewiesen sind (Grundsicherungsquote), könnte der Studie zufolge bis 2039 von aktuell neun Prozent auf knapp 12 Prozent steigen. Die Grundsicherungsschwelle liegt laut Studie für einen Ein-Personen-Haushalt bei etwa 777 Euro.

Grundrente hilft ein bisschen

"Selbst bei einer positiven Arbeitsmarktentwicklung müssen wir mit einem deutlichen Anstieg der Altersarmut in den kommenden 20 Jahren rechnen", erklärte Studienleiter Christof Schiller von der Bertelsmann Stiftung. Das im Koalitionsvertrag vorgesehene Modell einer Grundrente würde das Armutsrisiko bis 2039 lediglich um 0,4 Prozentpunkte auf 21,2 Prozent reduzieren, erklärten die Autoren der Studie. Auch die von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) vorgeschlagene bedingungslose Grundrente würde die Quote auf lediglich 18,4 Prozent verringern.

Die Studie plädiert dafür, die von Heil geplante Reform um eine einfache Einkommensprüfung ohne Vermögensprüfung und eine flexiblere Auslegung der anerkannten Versicherungszeiten zu ergänzen. Durch die Einkommensprüfung werde sichergestellt, dass nur einkommensschwache Haushalte die Aufwertung der Rentenanwartschaften bekämen.

Der Sozialverband VdK forderte, die Regierungskoalition müsse endlich ihren Streit über die Grundrente beenden. Rentner, die auf Grundsicherung im Alter angewiesen sind, benötigten einen Freibetrag von 212 Euro im Monat, erklärte die VdK-Präsidentin Verena Bentele. Menschen, die wegen Krankheit nicht mehr arbeiten können, sollten zudem eine reformierte Erwerbsminderungsrente erhalten, die sie ausreichend absichere. Auch der Sozialverband Deutschland (SoVD) mahnte die zügige Einführung der Grundrente ohne Bedürftigkeitsprüfung an.

Anrechnung von Pflege und Erziehung

Die Diakonie warnte, dass vormals alleinerziehende und pflegende Frauen, die in der Rente Beitragslücken haben, am stärksten von Altersarmut bedroht seien. Deshalb müssten auch Phasen der Teilzeit wegen Pflege und Erziehung stärker bei der Rentenberechnung gewichtet werden, sagte Maria Loheide vom Vorstand Sozialpolitik dem Evangelischen Pressedienst (epd). Zudem sei eine Mindestrente nötig, die langjährig Erwerbstätige im Alter versorgt, aber auch flexible Anspruchsvoraussetzungen für die Anrechnung von Pflege und Erziehung beinhalte. Langfristig hänge eine ausreichende Alterssicherung aber jedoch auch von der Entwicklung am Arbeitsmarkt ab sowie von den Löhnen und einer besseren Integration von Langzeitarbeitslosen in den Arbeitsmarkt.

Die Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe (RWL) forderte niedrigschwelligere Zugänge zu Rentenleistungen. Viele ältere Menschen lebten in verdeckter Armut, sagte die Leiterin des Geschäftsfeldes Berufliche und soziale Integration, Heike Moerland, in Düsseldorf dem epd. Sie machten häufig aus Unkenntnis oder Scham bestehende Ansprüche auf staatliche Leistungen nicht geltend.

Für die Studie "Anstieg der Altersarmut in Deutschland: Wie wirken verschiedene Rentenreformen?" wurde der gesamte zukünftige Einkommensmix im Alter, bestehend aus gesetzlicher, betrieblicher und privater Altersvorsorge berechnet. Die Studie basiert nach Angaben der Bertelsmann Stiftung auf einer Simulation der Alterseinkommen 2015 bis 2050, die durch das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin durchgeführt wurde. Grundlage für die Simulationsrechnungen seien repräsentative Haushaltsdaten des sozio-ökonomische Panels (SOEP), bei dem etwa 30.000 Bürger in fast 12.000 Haushalten befragt wurden.