Der evangelische Migrationsexperte Manfred Rekowski sieht vorerst keine Rückkehrperspektive für syrische Bürgerkriegsflüchtlinge. "Dass in großen Teilen Syriens nicht mehr gekämpft wird, heißt für die ins Ausland geflohenen Menschen nicht, dass sie gefahrlos zurückkehren können", sagte der Präses der rheinischen Landeskirche zum Abschluss einer mehrtägigen Reise nach Syrien und in den Libanon dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Jeder Syrer, der das Land verlassen hat, gilt als Teil der Opposition und muss sich bei einer Rückkehr darauf gefasst machen, dass ihn die Staatsgewalt ins Visier nimmt."

Zwar hätten die Kriegshandlungen abgenommen, und es gebe teilweise ein überraschend hohes Maß an Normalität, erklärte Rekowski, der Vorsitzender der Kammer für Migration und Integration der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ist. Das Regime unter Machthaber Baschar al-Assad gehe jedoch mit der Opposition "nicht zimperlich" um. Auch das UN-Flüchtlingskommissariat UNHCR habe keine Möglichkeit, die Menschen zu schützen. "Ich warne deshalb davor, aus dem Rückgang der Kämpfe zu schließen, dass die geflüchteten Syrer einfach in ihr Land zurückkehren können", sagte der Theologe.

"Keine Hoffnungsperspektive"

Besorgt äußerte sich Rekowski auch über die Lage der seit Jahrzehnten im Libanon lebenden palästinensischen Flüchtlinge. "Die meisten Menschen rechnen nicht mehr mit einer Verbesserung ihrer Lebensverhältnisse, sie sehen praktisch keine Hoffnungsperspektive", sagte er nach dem Besuch eines palästinensischen Lagers nahe der libanesischen Hauptstadt Beirut. Diese Situation sei "Sprengstoff für die libanesische Gesellschaft". Das Schicksal der im Libanon lebenden Palästinenser zeige, "dass ein über viele Jahre ungelöstes Flüchtlingsproblem, das sich verstetigt, für eine Gesellschaft zu einer unerträglichen Belastung werden kann".

Die Libanesen befürchten nach Rekowskis Worten, dass die rund 1,5 Millionen Syrer in ihrem Land ähnlich wie die palästinensischen Flüchtlinge auf Dauer bleiben könnten. Auch deshalb müsse im Syrien-Konflikt "Bewegung entstehen, die den Menschen Zutrauen gibt, dass sie sicher in ihre Heimat zurückkehren können und ihr Land sich weiterentwickelt". Die Konfliktparteien einschließlich der Supermächte müssten "die Bereitschaft entwickeln, an einer substanziellen Lösung zu arbeiten".

Als Dilemma bezeichnete Rekowski die Lage der syrischen Christen. Ihre Furcht vor einem islamistischen Regime sei so groß, dass Assad als das kleinere Übel gelte, weil er kirchliches Leben zulasse. In dieser Frage gebe es keine einfachen Lösungen. Rekowski war mit einer Delegation der rheinischen Kirche in den Nahen Osten gereist, um sich über die Lage der Menschen in Syrien zu informieren und ein Bild von den syrischen Flüchtlingscamps im Libanon zu machen.