Mit Friedensgottesdiensten in Polen und Deutschland haben die Kirchen am Wochenende an den Beginn des Zweiten Weltkriegs vor 80 Jahren erinnert. Die stellvertretende EKD-Ratsvorsitzende Annette Kurschus und der Präsident des Polnischen Ökumenischen Rates, Bischof Jerzy Samiec, riefen in Warschau zu einem gemeinsamen Erinnern auf. Der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm warnte in einem ZDF-Fernsehgottesdienst vor Spaltungstendenzen in Europa. Auch in Berlin, Mönchengladbach und im lippischen Kalletal gab es Gedenkgottesdienste.

Auch zwischen Deutschland und Polen drohten alte Ressentiments wiederaufzuleben, sagte Bedford-Strohm am 1. September in Frankfurt an der Oder. Dazu komme "die Geißel des Nationalismus, die so viel Unheil über Europa gebracht hat". In einem Europa, in dem die Spaltungstendenzen überhandzunehmen drohten, müssten die Deutschen dafür einstehen, dass der Weg der Versöhnung weitergegangen werde, forderte der bayerische Landesbischof.

Warnung vor "dumpfem Nationalstolz"

Die stellvertretende EKD-Ratsvorsitzende Kurschus sagte am 31. August in Warschau, erinnern könne eine Zumutung sein, die am Ende jedoch heilsam wirken könne. Nach den Jahren der Gewalt und des Leidens sei sie "dankbar für die Schritte der Versöhnung, die wir aufeinander zu und gemeinsam mit unseren polnischen Nachbarn gehen durften". Die westfälische Präses warnte zugleich vor "dumpfem Nationalstolz" und Forderungen nach einem Schlussstrich unter die Kriegserinnerungen.

Der Präsident des Polnischen Ökumenischen Rates, Bischof Jerzy Samiec, erklärte: "Wenn wir uns heute an den Ausbruch des Zweiten Weltkriegs erinnern, sollten wir Christen von unserer Verantwortung für unsere Gegenwart und Zukunft sprechen." In dem ökumenischen Gottesdienst der EKD und des Polnischen Ökumenischen Rates kamen auch Zeitzeugen zu Wort, darunter ein ehemaliger polnischer KZ-Häftling und ein deutscher Vertriebener.

Schäuble würdigt Rolle der Kirchen

Im Berliner Dom nannte es der evangelische Landesbischof Markus Dröge ein "Zeichen der Versöhnung", dass der ökumenische Gedenkgottesdienst mit polnischen Kirchenvertretern und Politikern gefeiert wurde. Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) sagte in einem Grußwort, die Deutschen seien sich der historischen Schuld und der daraus erwachsenden bleibenden Verantwortung bewusst. Er würdigte die zentrale Rolle der Kirchen im Prozess der Verständigung und Versöhnung zwischen Polen und Deutschland. Glaube mache an Grenzen nicht halt.

Die deutschen und die polnischen katholischen Bischöfe riefen dazu auf, "die Einheit Europas, das auf christlichen Fundamenten errichtet ist, zu festigen und zu vertiefen". In einer gemeinsamen Erklärung beider Bischofskonferenzen mahnten sie, mit den "Früchten der Versöhnung" verantwortungsbewusst umzugehen und "sie nicht leichtfertig in politischem Interesse" preiszugeben.

Rheinischer Präses: Frieden ist dauerhafte Aufgabe

Der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Manfred Rekowski, rief dazu auf, Frieden als dauerhafte Aufgabe zu verstehen. "Frieden und Versöhnung müssen immer wieder neu gesucht und gewonnen werden", sagte Rekowski in einem Gedenkgottesdienst in Mönchengladbach-Rheydt, der via Internet-Liveschaltung gemeinsam mit der evangelischen Kirchengemeinde im polnischen Pasym gefeiert wurde. Die guten nachbarschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und Polen heute seien nicht selbstverständlich, "sondern ein Grund zur Dankbarkeit", betonte der Theologe.

Auch die Lippische Landeskirche und die Reformierte Kirche in Polen feierten einen gemeinsamen Friedensgottesdienst, der die Teilnehmer im lippischen Kalletal und im polnischen Lodz mit einer Liveschaltung verband. In ihrer Dialog-Predigt hoben der Ökumenebeauftragte der polnischen Reformierten, Pfarrer Semko Koroza, und der Friedensbeauftragte der Lippischen Landeskirche, Christian Brehme, die Bedeutung der Versöhnung hervor. Damit Vergebung und Versöhnung funktionieren könnten, "müssen wir unsere Vergangenheit gemeinsam verstehen und gemeinsam studieren", sagte Koroza.

Mit dem deutschen Überfall auf Polen begann am 1. September 1939 der Zweite Weltkrieg.