Frankfurt a.M., Cox´s Bazar (epd). Für eine Million Rohingya-Flüchtlinge in der Stadt Cox's Bazar im Südosten von Bangladesch brachte der Monsum in diesem Sommer noch mehr Elend und Not. Tausende der ohnehin notdürftigen Unterkünfte sind durch Erdrutsche und Überschwemmungen beschädigt oder weggespült. Und dennoch wollen die Rohingyas, die hier in größter Armut leben, nicht in die Heimat zurück.
Der Flüchtlingskommissar von Bangladesch, Mohammad Abul Kalam, verkündete am 22. August: Keiner der 3.500 Rohingya, die auf einer Liste zur Rückführung nach Myanmar standen, habe sich bereit erklärt, zu gehen. Fest stehe aber auch: "Wir werden niemanden dazu zwingen."
Vorwurf Völkermord
Myanmar hatte zuvor erklärt, zunächst 3.500 Rohingyas zurückzunehmen. Kritiker halten das für Augenwischerei. Human Rights Watch kritisierte am 23. August, die Verbrechen nach der brutalen Militäroffensive vor zwei Jahren, in deren Zuge mehr als 740.000 Rohingya aus dem westlichen Rakhine-Staat nach Bangladesch flohen, blieben ungestraft. Die UN erklärte in einem neuen Bericht, Rohingya seien wie andere Minderheiten in Myanmar weiter sexueller Gewalt ausgesetzt. Die UN werfen der Armee Myanmars Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit an den muslimischen Rohingya vor.
Seit Ende der 70er Jahre hat Bangladesch wiederholt Rohingya aufgenommen, die vor Gewalt und Diskriminierung aus dem buddhistisch geprägten Myanmar geflohen waren. Derzeit leben in der Stadt Cox's Bazar etwa eine Million Flüchtlinge. Der Alltag in den überfüllten Camps im Südosten von Bangladesch ist prekär - nicht nur wegen des Monsuns.
"Ohne Hilfe verloren"
Das UN-Kinderhilfswerk Unicef forderte kürzlich, 500.000 Flüchtlingskindern müsse der Besuch einer Schule oder eine Ausbildung ermöglicht werden. Zwar erhielten 280.000 Kinder zwischen 4 und 14 Jahren provisorischen Unterricht in etwa 2.200 "Lernzentren". Aber 97 Prozent der 15- bis 18-Jährigen bekämen keine formale Bildung mehr.
Dennoch: "Die Flüchtlinge, mit denen ich gesprochen habe, sind weiterhin sehr dankbar, dass Bangladesch sie aufgenommen hat", sagt Stefan Teplan von Caritas International. "Sie wissen, dass sie ohne Hilfe verloren sind."
Zugleich stellt Asiens größte Flüchtlingskrise insbesondere die Gemeinden in Cox's Bazar vor ein Dilemma. Dem Evangelischen Pressedienst (epd) sagten die Einwohner noch bei einem Besuch im vergangenen Jahr, es sei selbstverständlich gewesen, die erschöpften Ankömmlinge zu versorgen, bevor die internationale Hilfe anlief. Zugleich äußerten damals manche Sorge, wie lange das mit 168 Millionen Bewohnern dicht besiedelte Bangladesch, in dem Armut weit verbreitet ist, diese Krise schultern könne.
Nun scheint die Kritik unüberhörbar: "Nicht nur Gemeinden in Cox's Bazar, sondern auch Bewohner in anderen Landesteilen fordern, dass die Rohingya so schnell wie möglich nach Myanmar zurückkehren sollten", sagt Caritas-Mitarbeiter Teplan.
Dörfer zerstört
Die Flüchtlinge selbst betonen, sie gingen nur dann, wenn Myanmar ihnen die Staatsbürgerschaft verleihe, die Verantwortlichen für die Gräuel bestraft würden und sie wieder in ihren Heimatdörfern leben könnten. Aber genau diese Hoffnungen dürften unerfüllt bleiben: Kürzlich machte das "Australian Strategic Policy Institute" (ASPI) zwischen Dezember 2018 und Juni 2019 erstellte Satellitenbilder publik. Gestützt auf zuvor von den UN veröffentlichtes Material waren in über 320 von 392 Rohingya-Dörfern, die 2017 beschädigt oder zerstört worden waren, keine Anzeichen eines Wiederaufbaus erkennbar. Mindestens 40 Prozent wurden demnach abgerissen.
In einst von Rohingya bewohnten Orten seien sechs militärische Anlagen errichtet oder erweitert worden. Laut ASPI wirft dies "ernste Fragen über die Bereitschaft der Regierung Myanmars auf, eine sichere und würdevolle Rückführung zu ermöglichen".