Bundesregierung und hessische Landesregierung haben den mutmaßlich rassistisch motivierten Anschlag auf einen Eritreer im hessischen Wächtersbach scharf verurteilt. In Berlin sprach die stellvertretende Regierungssprecherin Ulrike Demmer von einer abscheulichen Tat, die nicht hingenommen werden dürfe. Die Bundesregierung nehme die Gefahr rechtsextremistischer Straf- und Gewalttaten "sehr ernst", sagte sie am 24. Juli in der Bundeshauptstadt.

Der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier verurteilte den Anschlag auf einen 26-jährigen Mann aus Eritrea aufs Schärfste und wünschte ihm eine schnelle Genesung. "Dass ein Mensch einzig wegen seiner Hautfarbe auf offener Straße angeschossen wird, ist entsetzlich", erklärte der Regierungschef in Wiesbaden. Zugleich nannte er es "unsäglich, wenn aus rassistischer Hetze Gewalt entsteht". Bouffier versicherte, die Sicherheitsbehörden würden alles tun, um diese augenscheinlich fremdenfeindlich motivierte Straftat und ihre Hintergründe restlos aufzuklären. Ein Mann hatte am 22. Juli aus einem Auto heraus drei Schüsse auf den dunkelhäutigen Mann aus Eritrea abgegeben und ihn lebensgefährlich verletzt.

Notoperation

Die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt zieht ein fremdenfeindliches Motiv in Betracht. Der Eritreer war nach einer Notoperation außer Lebensgefahr. Der mutmaßliche 55 Jahre alte deutsche Täter konnte zunächst fliehen und erschoss sich in seinem Fahrzeug, wo er von Polizeibeamten aufgefunden wurde.

Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums ergänzte, man wisse, dass man es im rechtsextremistischen Spektrum mit Menschen zu tun habe, die waffenaffin seien. Das dürfe nicht unterschätzt werden. Gleichzeitig betonte er, bei der Bewertung der Tat sei noch Zurückhaltung geboten. Die bisherige Informationslage sei noch nicht ausreichend. Man müsse abwarten, was die Ermittlungsbehörden zutage tragen.

Ein Sprecher von Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) erneuerte deren Forderung, den Verfolgsdruck auf Rechtsextremisten zu erhöhen, unter anderem durch mehr Personal bei der Justiz, eine Sensibilisierung der Behörden für rechtsextreme Motive und eine bessere Verfolgung von Hass-Straftaten im Netz.

Der Sprecher des Justizministeriums sagte unter Anspielung auf die Ermordung des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke, es mache fassungslos, dass es innerhalb kürzester Zeit zu einer weiteren schweren, mutmaßlich rechtsextremistisch motivierten Tat gekommen sei. Er erinnerte zudem daran, dass die Tat am Jahrestag des rechtsextremen Anschlags von Anders Breivik erfolgte. Breivik hatte am 22. Juli 2011 in Oslo und der norwegischen Insel Utoya 77 Menschen getötet.

"Hemmschwelle gesunken"

Die Ermittlungen von Landeskriminalamt und Frankfurter Generalstaatsanwaltschaft gehen unterdessen weiter. Im Mittelpunkt steht die Auswertung der Kommunikation des mutmaßlichen Täters, also sein Handy- und Mailverkehr, wie der Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft, Alexander Badle, auf epd-Anfrage sagte. Neue Erkenntnisse gebe es noch nicht. Auch lägen bislang noch keine Anzeichen für Kontakte des 55-Jährigen in die rechtsextremistische Szene vor.

Unterdessen gab der Berliner Politikwissenschaftler Hans-Joachim Funke der AfD eine Mitschuld an der Tat. "Die Hemmschwellen sind gesunken durch die Hetze im öffentlichen Raum gegen alle größeren ethnischen und religiösen Minderheiten, nicht zuletzt von Teilen der Alternative für Deutschland, von 'Pegida' und anderen auf der einen Seite und rechtsextremen Gewaltbereiten", sagte er in der "hessenschau" des Hessischen Rundfunks.

Am Abend des 23. Juli hatten sich mehrere hundert Menschen in Wächtersbach zu einer Mahnwache für den niedergeschossenen Eritreer versammelt. Bürgermeister Andreas Weiher (SPD) sagte, ein weiteres Mal sei nach dem Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Lübcke aus Gedanken eine Tat geworden, "die uns erschüttert".