Der saarländische Kinderschutzbund und der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte fordern Präventionskonzepte an Kinderkliniken im Kampf gegen sexuellen Missbrauch. Die jüngst bekannt gewordenen Missbrauchsvorwürfe gegen einen inzwischen gestorbenen Arzt am Universitätsklinikum des Saarlandes belegten die Notwendigkeit, an allen Häusern klare Verhaltensregeln und Ablaufstrukturen zu installieren, sagte Berufverbandssprecher Hermann Josef Kahl am 25. Juni dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Düsseldorf. Das gelte sowohl für die Vermeidung von sexuellen Übergriffen auf junge Patienten als auch für den Umgang mit Verdachtsfällen.

Die Vorkommnisse an der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie in Homburg seien eine "Katastrophe", sagte der Düsseldorfer Kinder- und Jugendarzt. "Kinder müssen geschützt sein." Es gebe fachliche Beratungen und Qualifizierungen speziell für Krankenhäuser, betonte Kahl. Mit den eigenen Strukturen, Mängeln und möglichem Fehlverhalten müsse sich das saarländische Klinikum nun offensiv und transparent befassen.

Nur ein Fünftel der Kliniken verfügt über Schutzkonzept

Dem stimmte der saarländische Landesverband des Deutschen Kinderschutzbundes zu. "Es ist skandalös, dass bundesweit noch immer lediglich ein Fünftel aller Kliniken über ein solches Schutzkonzept verfügen." Es sei zudem nicht nachvollziehbar, dass nur Kitas und Jugendhilfeeinrichtungen eine gesetzliche Verpflichtung zur Erststellung solcher Konzepte hätten. "Schutzkonzepte beinhalten klare Verhaltenskodizes, regelmäßige Fortbildungen, ein wirksames Beschwerdemanagement, Regeln bei der Personalauswahl und Interventionspläne bei Verdachtsfällen", teilte der Verband mit. Sie seien unverzichtbar, wo die Gefahr von Übergriffen bestehe.

Die Düsseldorfer Kinderpsychotherapeutin Christina Lenders-Felske betonte die Bedeutung von Prävention ab der Geburt eines Kindes. Und zwar indem "Eltern ihren Kindern von vornherein mit Gesten und Worten klar machen, dass sie ihre Grenzen setzen können und nicht zu körperlicher Nähe gezwungen werden", sagte sie dem epd. Es gehe darum, Kinder zum Widerspruch zu erziehen: "Du hast ein Recht zu widersprechen. Du darfst Nein sagen."

Das Universitätsklinikum des Saarlandes (UKS) in Homburg hatte am 24. Juni angekündigt, acht Jahre nach einem ersten Missbrauchsverdacht gegen einen Arzt der Kinderpsychiatrie nun mögliche Opfer und deren Eltern zu informieren. Zwischen 2010 und 2014 soll der Assistenzarzt medizinisch nicht notwendige Untersuchungen im Intimbereich vorgenommen haben. Das Universitätsklinikum erstattete Ende 2014 Strafanzeige und kündigte dem Arzt fristlos. Da der mutmaßliche Täter 2016 starb, mussten die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen eingestellt werden.

Staatskanzlei in Saarbrücken nicht informiert

Das Universitätsklinikum und die Staatsanwaltschaft hatten damals entschieden, möglicherweise betroffene Patienten nicht über den Verdacht zu informieren. Der Landesverband des Kinderschutzbundes kritisierte dieses Vorgehen: "Der Versuch der Klinikleitung, ihr jahrelanges Schweigen nun als Opferschutz zu verkaufen, ist abwegig und zynisch." Den mutmaßlich Geschädigten sei viel zu lange keinerlei Unterstützung zuteilgeworden.

Das Homburger Klinikum hatte damals auch die Staatskanzlei in Saarbrücken als Rechtsaufsicht nicht informiert. Das sei nur nötig, wenn es um einen Beamten gehe, erklärte die Abteilungsleiterin Wissenschaft, Hochschulen und Technologie, Annette Groh. Dennoch wäre es wünschenswert gewesen, darüber informiert zu werden. Nachdem die Staatskanzlei im April von dem Fall erfahren habe, sei ein Gutachter hinzugezogen worden. Dieser habe dann empfohlen, die möglichen Opfer zu informieren und an die Öffentlichkeit zu gehen. Regierungssprecherin Anne Funk kündigte an, regelmäßig über das weitere Vorgehen zu informieren. Der Justizausschuss im saarländischen Landtag wird sich am 27. Juni zu dem Sachverhalt berichten lassen.