Insgesamt rund 1.000 Menschen sitzen an langen Tischen, essen, trinken und verfolgen das Musikprogramm der Bühne. Bei der Essensausgabe sind Dunja Dogmani und Arne Rudolf, zwei Stars aus der ARD-Serie "Lindenstraße", im Einsatz. Bei dem öffentlichen gemeinsamen Mahl der Tafel-Initiativen auf dem Kölner Heumarkt lassen es sich die Gäste gutgehen - bei Bratwurst, dem kölschen Klassiker "Halver Hahn", Linsensuppe, Kuchen und Obst aus Tafelbeständen. Die Aktion am 8. Juni war zugleich Abschluss des Bundestreffen der Tafel-Initiativen in Köln, bei dem sich 700 Vertreter von fast 950 Tafeln mit der Zukunft der Projekte zur Lebensmittelrettung befasst haben.

Die Tafeln leben von dem großen ehrenamtlichen Engagement. Viele von ihnen sind oder waren selber Kunden der Tafeln. "Ich bin Koch und war arbeitslos", erzählt Klaus, der sich mit einem Apfel der Tafel am Heumarkt sonnt. Er habe eineinhalb Jahre die Tafel in Ehrenfeld in Anspruch genommen und dort auch mitgearbeitet. "Für mich war das ein Segen, weil ich unter Menschen war." Der neben Klaus sitzende André arbeitet fünf Stunden im Monat ehrenamtlich bei einem Obdachlosenfrühstück, das unter anderem die Kölner Diakonie organisiert. "Ich decke Tische, schenke Kaffee aus und schmiere Brötchen", berichte der junge Mann.

"Kitt der Gesellschaft"

Junge Leute wie André werden von den Tafeln dringend gesucht, erklärt der Vorsitzende der "Tafel Deutschland", Jochen Brühl. Derzeit arbeiten 60.000 Ehrenamtliche in den Projekten. Sie leisteten jährlich 24 Millionen Stunden Arbeit. Das entspricht etwa 13.500 Vollzeit-Mitarbeitern. "Sie sind der Kitt der Gesellschaft", würdigt sie die Kölner Oberbürgermeister Henriette Reker (parteilos) zum Auftakt. Zugleich verweist Reker darauf, dass die Tafeln Überbrückung in vorübergehend schwierigen Lebensumständen sein sollen. Sie seien jedoch kein dauerhafter Ersatz für staatliche Leistungen, betont die Schirmherrin des Tafeltreffens.

"Wir sind die Brücke zwischen Überschuss und Mangel", beschreibt Brühl die Rolle der Tafeln. Die Tafeln retteten jährlich rund 264.000 Tonnen Lebensmittel vor der Vernichtung. Verschwendet werden in Deutschland trotzdem rund 18 Millionen Tonnen Lebensmittel im Jahr, moniert Brühl, der beim Bundestreffen erneut zum Vorsitzenden des Dachverbands der Tafeln gewählt wurde. Gleichzeitig habe sich die Zahl der Tafel-Nutzer seit 2007 verdoppelt, auf derzeit rund 1,5 Millionen Menschen.

"Diese Zahlen sind eine erbärmliche Bilanz und ein moralischer Skandal für Deutschland", kritisiert Brühl. Die Politik müsse den Gegensatz der unfassbaren Verschwendung einerseits und des Mangels und der Armut andererseits nachhaltig auflösen. Brühl kritisiert, dass das "Containern", also die Rettung von Lebensmitteln aus Supermarktmüll, weiterhin unter Strafe gestellt ist. In Frankreich etwa sei es gesetzlich verboten, Lebensmittel wegzuwerfen. Eine gesetzliche Regelung sei aber nur das letzte Mittel. "Wir setzen in Gesprächen mit den Unternehmen auf Erfolge", betont Brühl.

Trikotwerbung beim 1. FC Köln

Wie das funktionieren kann, zeigen Vertreter der Supermarktketten Rewe und Penny, die unter großem Beifall auf der Bühne eine Lebensmittelspende von 23 Tonnen ankündigen. Außerdem wollen die Spieler des Wiedererstligisten 1. FC Köln bei einem Heimspiel in der nächsten Saison auf ihren Trikots statt für den Hauptsponsor Rewe für die Tafeln werben.

Die Umverteilung, die bei den Tafeln praktiziert werde, müsse sich endlich auch in der politischen Debatte wiederfinden, fordert Brühl. Sowohl die Klimafrage als auch die sozialen Ungleichheiten könnten nur mit echten Visionen eines Zusammenlebens beantwortet werden. Neben den Klimazielen müsse es daher auch verbindliche Ziele zur Bekämpfung von Armut geben. Nach Überzeugung von Brühl kann das Engagement der Tafeln auch Modell für weitere Bereiche der Gesellschaft sein: "Dafür, wie eine Gemeinschaft mit mehr Gerechtigkeit, Solidarität und ökologischem Bewusstsein gelebt werden kann."