Der Sprecher der Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) Erinnerungsarbeit im Saarland, Frank-Matthias Hofmann, fordert von der Zivilgesellschaft einen konsequenteren Einsatz gegen Enthemmung und Verrohung. Auch die politisch Verantwortlichen müssten Extremismusprävention, Erinnerungskultur und den Schulunterricht verstärken, sagte der Beauftragte der Evangelischen Kirchen im Saarland dem Evangelischen Pressedienst (epd). In einer Zeit der Relativierungen von Verbrechen des NS-Regimes brauche es mehr denn je eine professionelle, kenntnisreiche und engagierte Erinnerungsarbeit.

"Es gibt kein Ende des Erinnerns"

"Für die NS-Verbrechen gilt nach wie vor: Es gibt kein Ende des Erinnerns", betonte Hofmann. Die Erinnerung an die Verbrechen sei weder Schande noch Schwäche. Sie stärke die Sensibilisierung für die Würde und die elementaren Rechte des Menschen heute. "Daran mitzuwirken, ist deshalb auch ein Dienst am Menschen und an unserem demokratischen Rechtsstaat", sagte der Theologe.

Dabei gehe es nicht um eine Perpetuierung eines Schuldgefühls oder eines "schlechten Gewissens". "Es geht um Erschrecken und Trauer, dass es möglich war, dass auf und vom deutschen Boden aus so schweres Unrecht stattfand beziehungsweise ausging", erklärte der LAG-Sprecher. Zwar gebe es keine Kollektivschuld, wohl aber eine kollektive Scham. Aus dem Wissen um die NS-Verbrechen müsse ein Verantwortungsgefühl erwachsen, das dazu führt, sich allen Bestrebungen in Richtung Verharmlosung der NS-Zeit, Leugnen der Schoah, Niedermachen Andersdenkender oder dem Verbreiten von Hassparolen entgegenstellt. "Wir brauchen eine nach innen wehrhafte Demokratie", sagte Hofmann.

Gute Erinnerungsarbeit zeichne aus, wenn sie von einem Erinnerungs- zu einem Erkenntnisprojekt werde, erklärte Hofmann. "Gute Erinnerungsarbeit hält sich auch an den Beutelsbacher Konsens, dass man niemanden mit der eigenen Meinung 'überwältigen' darf, sondern argumentativ arbeitet." Dazu sei es nötig, von sich selbst abstrahieren zu können, sich einmal in den Andersdenkenden hineinzuversetzen und zu verstehen suchen, was den anderen zu seiner Meinung bringe, ohne seine eigene Position vorschnell aufzugeben. Gute Erinnerungsarbeit sei politische Bildung und arbeite an der Demokratiebefähigung der Menschen, betonte Hofmann.

Zur Vernetzung der Arbeit zur Erinnerung an die NS-Zeit hatten sich im vergangenen September Vereine, Organisationen und Schulen im Saarland zur Landesarbeitsgemeinschaft zusammengeschlossen. Sie soll die Erinnerungsarbeit im Saarland bündeln, stärken und bekannt machen.