"Die Kirche öffnet sich, das war für mich der entscheidende Punkt", sagt Andrea Petzenhauser. Die 35-jährige gebürtige Bayerin hat eine volle Stelle als Wirtschaftsjuristin in einem Kölner Unternehmen. Und arbeitet jetzt zusätzlich 24 Stunden im Monat als Domschweizerin. "Ich möchte Teil der Entwicklung sein, die gerade im Gang ist. Die Tür geht gerade ein Stück weit auf", sagt sie. Das hier sei ihr kleiner Beitrag, daran teilzuhaben. Der Kölner Dom nimmt damit eine Vorreiterposition in Deutschland ein: "Uns sind keine weiteren Domschweizerinnen bekannt", sagt Dom-Sprecher Markus Frädrich.

Frauen zum Amt der Domschweizer zuzulassen, sei ein richtiger und wichtiger Schritt, sagt Dompropst Gerd Bachner. Das Domkapitel habe allein darüber entscheiden können: "Wir unterstützen das Anliegen der Frau in Führungspositionen. Dies ist eine Bereicherung für alle Besucher." Aber auch der Kölner Erzbischof, Rainer Maria Kardinal Woelki, halte diesen Schritt für absolut richtig, betont der Dompropst: "Wir waren uns da ganz einig."

Lange rote Roben mit schwarzem Samtbesatz

Genau wie ihre männlichen Kollegen tragen die neuen Domschweizerinnen, die zwischen 35 und 58 Jahre alt sind, lange rote Roben mit schwarzem Samtbesatz und im Winter dazu noch schwarze Mützen. Zur Ausstattung gehört zudem ein Holzkasten mit einem Schlitz für Spenden für den Dom. Andrea Petzenhauser tritt ihren Dienst samstags um 5.40 Uhr an. Denn um 6.00 Uhr öffnet die Kathedrale ihre Pforten für die Besucher.

"Ich finde es wunderschön, die Sonne durch die Fenster aufgehen zu sehen", sagt sie. Statt in der Freizeit einem Hobby nachzugehen, gehe sie zum Arbeiten in den Dom. Sie freue sich darauf, auf ganz unterschiedliche Menschen zu treffen. "Und das wird sicherlich auch die größte Herausforderung sein", sagt die Domschweizerin.

Für Ruhe und Ordnung sorgen

Die wichtigste Aufgabe der insgesamt 30 Domschweizer ist es, den bis zu 30.000 Besuchern täglich als Ansprechpartner zur Verfügung zu stehen. Sie beantworten Fragen, etwa, wo sich denn das Gerhard-Richter-Fenster oder der Dreikönigsschrein befinden. Außerdem haben sie für Ruhe und Ordnung zu sorgen. So achten sie darauf, dass sich die Besucher an die Vorschriften halten: Männer dürfen keinen Hut und keine Baseball-Kappen tragen, Hunde dürfen nicht mit rein. Und es reicht nicht aus, im Sommer nur mit einem Bikini bekleidet zu sein.

Bevor sie den Dom abends abschließen, müssen sie sicher stellen, dass sich niemand mehr im Gebäude befindet. "Etwa einmal im Jahr verstecken sich ein paar Jugendliche im Dom", sagt Marco Felgenheuer (27), der seit rund drei Jahren hauptberuflich Domschweizer ist. Ab und zu müsse man auch schon mal alkoholisierte Besucher hinausbegleiten, wenn sie andere störten. "Ich sage immer: Köln hat so viele Quadratmeter. Da kann man sich wenigsten hier würdevoll verhalten."

"Ich bin stolz und glücklich, hier zu sein"

Je nach Stoßzeiten arbeiten die Domschweizer in Gruppen von vier bis acht Menschen. "Wenn Probleme auftreten, können wir die Kollegen per Funk zu Hilfe holen", sagt Felgenheuer. Aber das sei sehr selten nötig. Allerdings werde es auch nie langweilig. Der Kölner Dom ist mit sechs Millionen Besuchern im Jahr der meist besuchte Ort Deutschlands. Vor allem an schönen Sommertagen ist der Andrang groß.

Die Domschweizer blicken auf eine lange Tradition zurück: "Sie sind seit dem 17. Jahrhundert am Kölner Dom belegt", erzählt Dom-Sprecher Frädrich, es habe sie aber vermutlich schon im Mittelalter gegeben. Der Begriff hat tatsächlich mit dem Alpenland zu tun. Denn ursprünglich handelte es sich bei den Dom- oder Kirchenschweizern um ehemalige Soldaten aus der Schweiz, die ins Ausland gingen, um dort als Leibgardisten oder Wachpersonal ihr Geld zu verdienen.

Für Domschweizerin Hedi Michels (58) geht mit dem Amt ein Kindheitstraum in Erfüllung: "Im Dom spüre ich, dass ich in meinem Glauben angekommen bin." Sie hat ihren Dienst als Krankenschwester in einem Krankenhaus in Bergisch-Gladbach reduziert, um das Amt anzunehmen. Sie tritt damit in die Fußstapfen ihres Urgroßvaters, der als Kirchenschweizer in Oberhausen tätig war. "Ich bin stolz und glücklich, hier zu sein. Vielleicht gelingt es mir, etwas von dieser Begeisterung weiterzutragen."