Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) will eine Masern-Impfpflicht für Kita- und Schulkinder mit der Androhung von Geldstrafen bis 2.500 Euro durchsetzen. Ein jetzt vorgelegter Gesetzentwurf des Ministers sieht auch vor, Kinder ohne Impfschutz vom Kita-Besuch auszuschließen, wie die "Bild am Sonntag" berichtete. Ärzte und der Koalitionspartner SPD reagierten mit Zustimmung auf das Vorhaben. Die EU äußerte sich besorgt über zu niedrige Masern-Impfraten in den Mitgliedsstaaten.

Spahn sagte der Zeitung: "Wir wollen alle Kinder davor schützen, sich mit Masern zu infizieren." Deswegen sollten alle, die eine Kita oder Schule besuchen, gegen Masern geimpft sein. Wer dort neu aufgenommen werde, müsse das nachweisen. Bei Kindern, die bereits in eine Kita oder Schule gehen, müssten Eltern den Nachweis per Impfpass oder -bescheinigung bis Ende Juli 2020 nachreichen. Wer aus medizinischen Gründen nicht geimpft werden könne, müsse auch das mit einer ärztlichen Bescheinigung nachweisen. Auch Erzieher und Lehrer müssten sich impfen lassen.

Kinder ohne Masern-Impfschutz sollen laut Entwurf künftig keine Kita besuchen dürfen. Bei Schulen sei dies nicht möglich, da dort die Schulpflicht gelte, erklärte der Minister. Hier drohten aber Bußgelder bis 2.500 Euro, die durch die Gesundheitsämter veranlasst würden.

"Schutzpflicht"

Obwohl laut jüngsten Zahlen des Robert-Koch-Instituts (RKI) 93 Prozent der Kinder in Deutschland gegen Masern durchgeimpft sind, bezeichnete Spahn eine Impfpflicht als unerlässlich. Um die Krankheit auszurotten, sei eine Impfrate von mindestens 95 Prozent notwendig. Diese Quote werde trotz aller Kampagnen und Appelle nicht erreicht. Das RKI registrierte laut Gesundheitsministerium im vergangenen Jahr 543 Masernerkrankungen, in diesem Jahr waren es bislang bereits mehr als 300.

Die SPD-Vorsitzende Andrea Nahles signalisierte Unterstützung für den Gesetzentwurf. Es gehe auch um eine "Schutzpflicht", sagte sie der "Süddeutschen Zeitung" (6. Mai): "Die individuelle Freiheit hat ihre Grenzen dort, wo sie die Gesundheit vieler anderer gefährdet." Daher finde sie es wichtig, bei sehr ansteckenden Krankheiten wie Masern eine Impfpflicht einzuführen. Diese etwa auch mit Bußgeldern durchzusetzen, werde von der SPD mitgetragen. Auch der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach bezeichnete in der "Augsburger Allgemeinen" Spahns Entwurf als "unbedingt richtig".

Der Präsident der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery, begrüßte Spahns Plan als "wichtigen Schritt zur richtigen Zeit". Bei hohen Durchimpfungsraten sei es nämlich möglich, einzelne Krankheitserreger regional und sogar weltweit zu eliminieren, sagte er dem "RedaktionsNetzwerk Deutschland".

Auch der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) lobte den Vorstoß des Gesundheitsministers. BVKJ-Bundessprecher Hermann Josef Kahl forderte zudem die Einführung eines nationalen Impfregisters. "Dann bekämen die Menschen Erinnerungen an aufzufrischende Impfungen", sagte Kahl der in Düsseldorf erscheinenden "Rheinischen Post".

"Eingriff in Selbstbestimmungsrecht"

Bedenken äußerte hingegen die niedersächsische Gesundheitsministerin Carola Reimann (SPD). "Eine Impfpflicht greift stark in das verfassungsrechtlich geschützte persönliche Selbstbestimmungsrecht auf körperliche Unversehrtheit ein und bedarf einer besonderen Rechtfertigung", sagte sie dem "RedaktionsNetzwerk Deutschland". Sie löse aber nicht das zentrale Problem, "dass insbesondere für Jugendliche und Erwachsene eine Impflücke besteht".

Spahns Entwurf wird dem Bericht zufolge derzeit in der Regierung abgestimmt. Der Gesundheitsminister sagte, er gehe davon aus, dass das Gesetz noch 2019 verabschiedet werde.

Zu niedrige Impfquoten sind offenbar auch europaweit ein Problem. Laut EU-Kommission erreichten im vergangenen Jahr nur noch die vier Mitgliedsländer Schweden, Ungarn, Portugal und die Slowakei die notwendige Impfrate von 95 Prozent. Das sei ein neuer Tiefstand, erklärte der Vizepräsident der Kommission, Jyrki Katainen, in einem Schreiben an das EU-Parlament, über das die Zeitungen der Essener Funke Mediengruppe (6. Mai) berichteten. 2007 hatten nach Daten der zuständigen EU-Agentur für Prävention und Kontrolle von Krankheiten noch 14 EU-Staaten das 95-Prozent-Ziel erfüllt.

Masern sind eine durch Viren ausgelöste hochansteckende Infektionskrankheit. In einem von 1.000 Fällen kommt es zu einer Gehirnentzündung, die Krankheit kann tödlich verlaufen.