Die sexuelle Revolution der 68er Bewegung ist nach Ansicht des emeritierten Papstes Benedikt XVI. verantwortlich auch für die vielen Missbrauchsfälle in der Kirche. In den 20 Jahren von 1960 bis 1980 seien "die bisher geltenden Maßstäbe in Fragen Sexualität vollkommen weggebrochen", schreibt der emeritierte Papst in einem mehrseitigen Aufsatz im bayerischen "Klerusblatt". Aus dieser Entwicklung heraus sei dann eine "Normlosigkeit entstanden", die man nun abzufangen versuche. Diese Abkehr von der katholischen Sexualmoral habe schlimme Folgen in der Priesterausbildung, der Hochschultheologie und der Auswahl von Bischöfen gehabt, erklärt Benedikt in seinem Aufsatz.

"Zu der Physiognomie der 68er Revolution gehörte, dass nun auch Pädophilie als erlaubt und als angemessen diagnostiziert wurde", heißt es in dem Schreiben. Der Staat habe "die Einführung der Kinder und der Jugend in das Wesen der Sexualität" schließlich als Folge der 68er Bewegung verordnet. Als Beispiel nennt der emeritierte Papst Aufklärungsfilme, die die frühere Bundesgesundheitsministerin Käte Strobel (SPD) in ihrer Amtszeit von 1969 bis 1972 erstellen ließ. Darin sei "alles, was bisher nicht öffentlich gezeigt werden durfte, einschließlich des Geschlechtsverkehrs, nun vorgeführt" worden. Sex- und Pornofilme seien daraufhin "zu einer Realität" geworden.

"Homosexuelle Clubs"

In der katholischen Kirche habe diese gesellschaftliche Entwicklung dann dazu geführt, dass Teile der Kirche ein "neues, radikal offenes Verhältnis zur Welt" wollten. Benedikt verweist in dem Aufsatz auf einen Bischof, der vorher als Regens ein Priesterseminar geleitet habe und seinen Seminaristen Pornofilme habe vorführen lassen. "Angeblich mit der Absicht, sie so widerstandsfähig gegen ein glaubenswidriges Verhalten zu machen", schreibt er. In mehreren Priesterseminaren hätten sich "homosexuelle Clubs" gebildet, "die mehr oder weniger offen agierten und das Klima in den Seminaren deutlich veränderten", erläuterte der frühere Oberhirte.

In der Einleitung des Aufsatzes schreibt Benedikt, der Text beruhe auf Notizen, die er sich "in der Zeit von der Ankündigung" bis zum Zusammentreffen der Vorsitzenden der Bischofskonferenzen zum Missbrauchs-Gipfel in diesem Februar in Rom gemacht habe. Er hoffe damit "den ein oder anderen Hinweis zur Hilfe in dieser schweren Stunde" beizutragen.