Es sind wenige Minuten bis zur Urteilsverkündung. Vor dem Stuttgarter Landgericht stehen am 21. Februar rund 20 Friedensaktivisten. Eine Frau mit Gitarre singt Friedenslieder. "Andere retten Leben. Wir helfen töten", ist auf Bannern zu lesen und: "Geschäft mit dem Tod". Unter den Menschen ist auch der Rüstungsgegner Jürgen Grässlin, der mit seiner Strafanzeige vor neun Jahren den Prozess ins Rollen gebracht hat.

Insgesamt 29 Prozesstage mussten sich fünf ehemalige Angestellte des Rüstungsunternehmens Heckler & Koch wegen illegaler Waffenlieferungen verantworten. Zwei Angeklagte wurden zu Bewährungsstrafen verurteilt, sie müssen zudem eine Geldstrafe zahlen beziehungsweise gemeinnützige Arbeit leisten. Drei weitere Angeklagte wurden freigesprochen. (AZ: 13 KLs 143 Js 38100/10)

Die Mitarbeiter waren von 2006 bis 2009 an dem Verkauf von insgesamt etwa 4.700 Sturmgewehren und Zubehörteilen in mexikanische Unruheprovinzen beteiligt. Dorthin waren Waffenexporte nicht erlaubt. Auf den sogenannten Endverbleibserklärungen waren stattdessen mexikanische Bundesstaaten angegeben, in die die Lieferung von Waffen als unproblematisch galt.

3,7 Millionen Euro Strafe

Die schwäbische Rüstungsfirma Heckler & Koch wurde zu einer Zahlung von rund 3,7 Millionen Euro verurteilt - das entspricht laut Gericht dem Wert der Waffen, die in die bedenklichen Bundesstaaten gelangten. Das Unternehmen teilte nach dem Urteil mit, dass man nicht nachvollziehen könne, dass das Gericht den gesamten Kaufpreis aus dem Mexiko-Geschäft einziehen will - und nicht nur den erwirtschafteten Gewinn, den ein Anwalt auf rund 200.000 Euro bezifferte. Schließlich habe sich kein Mitglied der Geschäftsleitung strafbar gemacht und das Unternehmen von Anfang an aktiv zur Aufklärung der Vorfälle beigetragen.

Die Waffen sollen auch im September 2014 im Fall der Verschleppung von 43 Studenten im Bundesstaat Guerrero zum Einsatz gekommen sein. Der Bundesstaat galt im März 2007 wegen eines "ambitiösen Waffenprogramms" für Heckler & Koch als wichtiger Geschäftspartner, dem Mitarbeiter des Unternehmens die Waffen präsentierten - trotz Kritik an der schlechten Menschenrechtslage, die mit den Machenschaften dortiger krimineller Drogenbanden zu tun hat.

Er wisse, dass der illegale Export von Sturmgewehren besondere Emotionen hervorrufe, sagte der Vorsitzende Richter Frank Maurer in seiner Urteilsbegründung. Aber der Prozess sei "kein Tribunal über deutsche Rüstungspolitik", das die Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit von Waffen kläre. Gegenstand des Strafverfahrens sei nur der illegale Waffenexport, nicht der Einsatz dieser Waffen in Mexiko. Ein Raunen ist im Gerichtssaal zu hören.

Das Gericht urteilte, dass Endverbleibserklärungen nicht Bestandteil der Genehmigung für Waffenexporte sind. Damit seien die illegalen Waffenlieferungen in die vier verbotenen Bundesstaaten Mexikos nicht nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz strafbar, sondern nur nach dem Außenwirtschaftsgesetz.

"Etikettenschwindel"

Laut dem Tübinger Rechtsanwalt Holger Rothbauer, der den Rüstungsgegner Grässlin juristisch vertritt, ist das System der Endverbleibserklärungen ein "Etikettenschwindel". Kein Mensch könne sicherstellen, dass die Waffen in Mexiko tatsächlich nur in den genehmigten Staaten verwendet werden. Von der Politik forderte er ein Rüstungsexportkontrollgesetz, um den Verbleib von Waffen aus deutscher Produktion stärker zu kontrollieren.

Für Grässlin ist der Prozess einmalig, da durch dieses Urteil ein illegaler Waffenhandel zum ersten Mal juristisch belegt sei. Zwar habe Heckler & Koch seit 2010 den Waffenexport ins gesamte Mexiko verboten. Aber die ehemaligen Mitarbeiter der Firma hätten durch ihr Verhalten dazu beigetragen, dass es zu zahlreichen Morden in Mexiko gekommen sei.

Mit diesem Verfahren ist die Frage nach der Kontrolle über den Verbleib von Waffen "Made in Germany" aber noch nicht abschließend geklärt: Am 26. Februar beginnt vor dem Kieler Landgericht der Prozess gegen drei Manager des Waffenherstellers Sig Sauer. Mehr als 38.000 Pistolen aus Eckernförde sollen über die USA illegal in das Bürgerkriegsland Kolumbien gelangt sein. Strafanzeige hat ebenfalls Jürgen Grässlin als Sprecher der "Aktion Aufschrei" gestellt.