Nach langem Ringen geht es am Ende schnell: Weniger als eine Woche hat die Koalition aus Union und SPD gebraucht, um ihren Kompromiss zum Werbeverbot für Abtreibungen durch den Bundestag zu bringen. Am 21. Februar stimmt das Parlament in Berlin namentlich über den Regierungsantrag ab. Es kommt wie erwartet. Die SPD hält sich an die Fraktionsdisziplin und stimmt zu. Dabei gibt es mindestens eine Ausnahme: Hilde Mattheis vom linken Flügel, die ihr Nein angekündigt hatte.

Linke, Grüne und FDP stimmen dagegen, nach einer kurzen Debatte, in der sie ihrer Wut über diesen Kompromiss noch einmal Luft gemacht haben. "Beschämend", "versemmelt", "eine Absurdität", kritisieren Abgeordnete der FDP, der Linken und der Grünen. "Verfassungswidrig" sei eine Regelung, die identische Informationen beim Arzt mit zwei Jahren Gefängnis bedrohe und auf einer Behördenseite nicht, sagt die Grünen-Rechtspolitikerin Katja Keul. Grüne, Linke und FDP wollen den Paragrafen 219a abschaffen. Auch die AfD stimmt gegen das Gesetz. Das Werbeverbot zu lockern, komme einer Kapitulation beim Lebensschutz gleich, meint sie.

"Durchpeitschen"

In etwa zwei Monaten tritt das Gesetz in Kraft. Dann müssen Ärzte keine Strafverfolgung mehr fürchten, wenn sie auf ihrer Internetseite oder in Flyern darauf hinweisen, dass sie Abtreibungen machen. Für weitere Informationen sollen sie indes auf offizielle Stellen verweisen. Die Bundesärztekammer führt eine Liste mit Ärzten und Ärztinnen, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen.

Die Opposition hat das schnelle Verfahren als "Durchpeitschen" heftig kritisiert. "Die Hoffnung der Union und der SPD, dass das Thema heute beendet ist, wird sich aber nicht erfüllen", prognostizierte die Vize-Fraktionsvorsitzende der Linken, Cornelia Möhring. Im Kern gehe es einmal mehr darum, Frauen zu kontrollieren und zu bevormunden.

Die SPD war von Anfang an im Dilemma. Einen eigenen Antrag auf Abschaffung des Paragrafen 219a, den die Fraktion im Dezember 2017 nach der Verurteilung der Gießener Ärztin Kristina Hänel aufgrund der umstrittenen Rechtslage beschlossen hatte, musste sie schon im Februar wieder auf Eis legen. Inzwischen war der Koalitionsvertrag mit der Union ausgehandelt - und es war allen klar, dass die SPD die erste Koalitionskrise auslösen würde, wenn sie beim Werbeverbot für Abtreibungen mit der Opposition gemeinsame Sache gegen die Union machen würde.

Mit Grabesstimme

Die Haltung der Union war klar. Das Werbeverbot ist Teil des Konzepts zum Schutz ungeborenen Lebens und sollte nicht verändert werden. Die damalige CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer gab im März 2018 die Linie vor: Aus der CDU/CSU-Bundestagsfraktion werde es keine Unterstützung geben für Initiativen, die das Werbeverbot kippen wollen.

Kurz darauf wurde die neue Bundesregierung vereidigt. Es brauchte dann noch fast zehn Monate, um den Entwurf auszuhandeln, den Justizministerin Barley schließlich am 15. Februar mit Grabesstimme im Bundestag vorstellte. In der abschließenden Debatte verteidigte der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach den Kompromiss. Mehr sei mit der Union nicht möglich gewesen.

Die Union hingegen gab sich zufrieden. Es sei von gegenteiligen Positionen aus ein guter Kompromiss gefunden worden, schmerzhaft für beide Seiten, sagte die Fraktionsvize Nadine Schön (CDU). Das Abtreibungsrecht in Deutschland bleibe ein gut austariertes System. Schwangerschaftsabbrüche sind in Deutschland illegal, werden aber bis zur zwölften Woche nicht bestraft, wenn die Frau das Beratungsverfahren einhält.

Der Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, der evangelische Theologe Peter Dabrock, sagte vor einem Jahr, als die Debatte um den Paragrafen 219a im Bundestag gerade losging und schnell klar war, welche Wucht sie entwickeln würde, wer Veränderungen im Abtreibungsrecht wolle, müsse sich darüber klar sein, dass er gesellschaftlichen Sprengstoff freisetze: "Ich frage mich", sagte Dabrock, "ob wir das in diesen ohnehin aufgewühlten Zeiten zusätzlich brauchen."