Die 2018 gestartete erste Vesperkirche in Nordrhein-Westfalen bittet ab Ende Januar in Gütersloh erneut zu Tisch. Vom 27. Januar bis zum 10. Februar treffen sich in der evangelischen Martin-Luther-Kirche Menschen aus allen sozialen Schichten und Altersgruppen zum gemeinsamen kostenlosen Mittagessen, wie Pfarrer Stefan Salzmann vom Organisationsteam der Vesperkirche am 2. Januar mitteilte. Erstmals werde zusätzlich auch an zwei Abenden eine Essensausgabe angeboten.

Die Organisatoren rechnen laut Salzmann mit einer ähnlichen Resonanz wie bei der ersten Auflage vor einem Jahr. Damals waren binnen 15 Tagen insgesamt 6.000 Mahlzeiten ausgegeben worden. Die auch dieses Mal benötigen 600 ehrenamtlichen Helfer hätten sich bereits bis Oktober gemeldet, mehreren Hundert weiteren Interessenten habe man absagen müssen, sagte der evangelische Pfarrer dem epd. Unter den Freiwilligen seien neben zahlreichen Einzelpersonen auch Teams aus Unternehmen, Sportvereinen oder Schulklassen.

Die Gäste der Vesperkirche speisen den Angaben zufolge täglich in zwei Durchgängen zwischen 12 und 14 Uhr - wer kann, gibt dafür eine Spende. An den im Kirchenraum aufgestellten Tischen ist Platz für 150 Leute. Begleitet werden die gemeinsamen Mahlzeiten von kurzen geistlichen Impulsen, Beratungsangeboten und einem musikalischen Abschluss durch Gütersloher Musikschulen. Bei den Kurzvorträgen sei erstmals auch eine Muslima beteiligt, kündigte Salzmann an.

Erweitertes Angebot

Bei den jeweils donnerstags vorgesehenen Abendspeisungen übernehmen Menschen mit Behinderungen die Bedienung, die in den Werkstätten des sozialen Dienstleistungsunternehmens Wertkreis Gütersloh arbeiten und lernen, wie es weiter hieß. Der Wertkreis liefere auch die Produkte für die kalten Abendmahlzeiten aus seinem ökologischen Landwirtschaftsbetrieb. Mit dem erweiterten Angebot wolle man verstärkt auch Berufstätige erreichen, die tagsüber wenig Zeit hätten, hieß es.

Das Mittagessen wird demnach erneut im evangelischen Pflegeheim Katharina-Luther-Haus gekocht und anschließend durch die Gütersloher Tafel zur Ausgabestelle transportiert. Für das Geschirr sorgt die Arbeitslosenselbsthilfe, die Landfrauen schenken Kaffee aus.

Mit der Vesperkirche wollen die Organisatoren nach eigenen Angaben "ein Zeichen gegen die fortschreitende soziale Trennung" der Gesellschaft setzen. Jung und Alt, gut situierte Bürger und Obdachlose, Alteingesessene und neu Hinzugezogene sollten miteinander ins Gespräch kommen. Bei der ersten Auflage sei es tatsächlich zu vielen Begegnungen ganz unterschiedlicher Menschen gekommen, betonte Pfarrer Salzmann. Diese Erfahrung habe maßgeblich zu einer Wiederholung des Projektes motiviert.

Die Gütersloher Vesperkirche ist laut Salzmann kein rein kirchliches oder konfessionsgebundenes Projekt, sondern werde von Bürgern für Bürger der Stadt ausgerichtet. Sie finanziere sich komplett aus Spendenmitteln.

Die erste evangelische Vesperkirche wurde 1994 in Stuttgart eröffnet und zu einem jährlichen Winterprojekt zugunsten von Bedürftigen ausgebaut. Mittlerweile gibt es davon 30 in Baden-Württemberg und Bayern sowie ein ähnliches Projekt in Hannover. In Nordrhein-Westfalen geht als zweites Projekt Ende Januar die Vesperkirche Niederberg mit den Standorten Velbert und Wülfrath an den Start, die vom Diakonischen Werk des Kirchenkreises Niederberg betrieben wird.