Weniger als jeder zweite Beschäftigte arbeitet in einem deutschen Unternehmen, das an einen Branchentarifvertrag gebunden sind. In den zehn Jahren zwischen 2008 und 2017 sank der Anteil um sechs Prozentpunkte auf 47 Prozent aller Beschäftigten, wie aus einer Antwort der Bundesregierung an die Bundestagsfraktion der Linkspartei hervorgeht, die dem Evangelischen Pressedienst (epd) vorliegt. Zugleich ging der Anteil der tarifgebundenen Betriebe an allen Unternehmen um sieben Prozentpunkte auf 25 Prozent zurück.

Die Zahl der Verbandstarifverträge stieg zunächst laut Bundesregierung von rund 29.600 im Jahr 2012 auf etwa 30.500 bis Ende 2016. Bis Ende 2017 sank die Zahl der Tarifverträge auf 29.000. Zuerst hatte über die Zahlen die Düsseldorfer "Rheinische Post" (28. Dezember) berichtet.

Tarifflucht vor allem bei Kleinbetrieben

Der Anteil der tarifgebundenen Unternehmen nahm den Angaben zufolge besonders bei kleinen Betrieben besonders stark ab. 87 Prozent aller Firmen mit bis zu neun Mitarbeitern in Ostdeutschland sahen sich demnach im vergangenen Jahr nicht an einen Tarifvertrag gebunden. In Westdeutschland waren es 78 Prozent. Zehn Jahre zuvor waren es 69 Prozent der kleineren westdeutschen und 80 Prozent der kleineren ostdeutschen Betriebe.

Die meisten Beschäftigten in Unternehmen ohne Tarifvertrag arbeiteten im Jahr 2017 in den Wirtschaftszweigen Landwirtschaft, Information und Kommunikation sowie im Handel, im Gastgewerbe und in anderen Dienstleistungssektoren.

"Spitze des Eisbergs"

Die Regierung stützt sich in ihrer Antwort auf Daten des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit (BA), die dafür seit 1996 jährlich 15.500 repräsentativ ausgewählte Betriebe befragt.

"Die Zahlen belegen, dass die Tarifflucht von Unternehmen wie dem Einzelhandelskonzern Real nur die Spitze des Eisberges darstellt", sagte der gewerkschaftspolitische Sprecher der Linken, Pascal Meiser, der "Rheinischen Post". Die Regierung dürfe der Tarifflucht nicht tatenlos zusehen. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sei in der Pflicht, endlich ein Maßnahmenkonzept zur Stärkung der Tarifbindung auf den Tisch zu legen.