In der Lutherstadt Wittenberg ist ein ausgestelltes Flüchtlingsboot nach Polizeiangaben Ziel eines Brandanschlags geworden. Unbekannte Täter hätten das Boot am frühen Morgen des 10. November angezündet, teilte die Polizei mit. Das Flüchtlingsboot sei vollständig zerstört worden. Der Wittenberger Oberbürgermeister Torsten Zugehör (parteilos) verurteilte den Anschlag. Er sprach von einem "Tiefpunkt für Wittenberg". Die Landesbischöfin der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland, Ilse Junkermann, reagierte bestürzt auf den Angriff.

Das Flüchtlingsboot war im Rahmen der Weltausstellung zum Reformationsjubiläum 2017 in der Lutherstadt ausgestellt worden. Es hatte im Jahr 2013 insgesamt 244 Frauen, Männer und Kinder unversehrt von Libyen nach Sizilien gebracht. In Wittenberg sollte es eine gesellschaftliche Auseinandersetzung mit dem Thema Flucht anregen. Das 23 Tonnen schwere Boot trug den Namen al-bahja (Fröhlichkeit, Freude).

Staatsschutz ermittelt

Weil ein politisch motivierter Hintergrund nicht auszuschließen sei, habe der polizeiliche Staatsschutz die Ermittlungen übernommen, bestätigte ein Polizeisprecher am 11. November dem Evangelischen Pressedienst (epd). Spürhunde hätten am Tatort Brandmittelbeschleuniger aufgespürt. Derzeit würden weiter Zeugen für die Tat gesucht.

Unterdessen berichtete die "Mitteldeutsche Zeitung" (online), dass an einer Seite des verbrannten Bootes eine Runeninschrift entdeckt wurde, die das Logo der "Reconquista Germanica" zeige. Dabei handele es sich um ein Netzwerk von Rechtsextremisten, das gezielte Attacken auf politische Gegner, Medien und Institutionen koordiniere. Das Netzwerk unterstütze zudem die AfD. Deren Stadtratsabgeordneter Dirk Hoffmann habe in der Vergangenheit mehrfach gefordert, das Boot entsorgen zu lassen, berichtete die Zeitung. Einem Leserhinweis zufolge soll das Zeichen bereits seit Ende Juni an dem Boot zu sehen gewesen sein.

Wittenbergs Oberbürgermeister Zugehör bezeichnete das Boot als "Denkmal der Menschlichkeit, Konsequenz und Rechtsstaatlichkeit". Umso schwerer wiege die Tat einer möglichen Brandstiftung, erklärte der Politiker.

Bischöfin Junkermann bestürzt

"Ich bin bestürzt über diese gezielt eingesetzte Gewalt gegen ein Mahnmal für Mitmenschlichkeit, gegen ein Erinnerungsmal für Mitmenschlichkeit und Nächstenliebe - genau an dem Tag, der mahnend erinnert an vor 80 Jahren gezielt gesetzte und organisierte Gewalt gegen Mitmenschen, gegen ihr Hab und Gut und ihre Gotteshäuser", sagte die evangelische Landesbischöfin Junkermann. Sie rief die Bürger auf, sich klar von solchen Gewaltakten zu distanzieren.

Die Grünen in Sachsen-Anhalt verurteilten den Brandanschlag ebenfalls. Die Landesvorsitzende Susan Sziborra-Seidlitz sieht die Verantwortung für die Attacke "nicht nur bei den offensichtlich rechtsextrem motivierten Brandstiftern, sondern auch bei jenen Spaltern, die das gesellschaftliche Klima des Hasses herbeizureden versuchen". Auch sie verwies auf den Antrag eines AfD-Stadtrates, der zuvor eine Entsorgung des Flüchtlingsbootes "als Schrott" gefordert habe.