Fast im Minutentakt rollen Kleinbusse und Taxen auf den Platz vor dem Muhimbili-Krankenhaus. Sie bringen Patienten aus dem ganzen Land. Manche mussten für die Fahrt ihren letzten Schilling ausgeben. Da wo sie herkommen, wussten die Ärzte nicht weiter. Hier im Muhimbili National Hospital in Daressalam, der größten Klinik Tansanias, hoffen die Kranken auf die Erfahrung der Spezialisten. Für viele andere ist der weite Weg nach Daressalam eine unüberwindbare Hürde - dennoch gibt es Chancen auf eine Rückmeldung der Fachärzte: dank Digitalisierung und Internet.

In der Notaufnahme der Klinik steht Jamus Mfinange vor einem großen Flachbildschirm. Der 36-jährige Notfallmediziner nimmt den Videoanruf eines Arztes aus einem Provinzkrankenhaus entgegen. Der berichtet von einer Patientin, die unter Atemnot leidet. Auf dem Bildschirm poppt ein Röntgenbild auf. Mfinanga sichtet das Bild und gibt dem Provinzarzt Rückendeckung: Es sieht nach Tuberkulose aus.

Per Diagnosehilfe über Datenleitungen kann so die medizinische Versorgung auf dem Land verbessert werden: "Wir haben das Fachwissen, das kleineren Krankenhäusern fehlt. Dank des Internets können wir bei Notfällen und komplizierten Erkrankungen beraten", sagt Mfinanga.

Keine Spezialisten auf dem Land

Laut der Weltgesundheitsorganisation WHO gehört Tansania weltweit zu den Ländern mit der geringsten Dichte an Fachärzten. Radiologen, Kinderärzte oder Internisten sind fast ausschließlich in den wenigen großen Städten des ostafrikanischen Landes tätig. Weil aber zugleich immer mehr Menschen Zugang zum Internet haben, gilt die Telemedizin als vielversprechende Innovation, medizinische Expertise auch in abgelegene Regionen zu bringen.

Die Idee überzeugt internationale Geber. Die Weltbank fördert das Projekt in Tansania mit rund vier Millionen US-Dollar, die in neue Computer, medizinisches Gerät, Software und Schulungen geflossen sind. Allerdings hat die Initiative noch mit Startschwierigkeiten zu kämpfen. Bislang kommen aus den sieben beteiligten Distrikt- und Provinzkrankenhäusern nur zwei bis drei Anfragen pro Woche.

Jesaja Sienz sieht in der Telemedizin trotzdem großes Potenzial für Tansania. Man müsse sie nur gezielt einsetzen. Der deutsche Arzt arbeitet seit gut zwei Jahren in Ndanda im Süden des Landes - und holt sich regelmäßig Rat über das Internet. Etwa bei selten Hauterkrankungen. Dazu schickt er Fotos von Hautauschlägen oder Ekzemen an Dermatologen, die bei der Diagnose helfen. "Infektionskrankheiten wie Malaria oder Aids können wir hier gut behandeln, aber bei selteneren Erkrankungen fehlt die Expertise vor Ort", erklärt Sienz.

Das gilt auch für die Untersuchung von Geschwülsten und Tumoren. Pathologen, die bestimmen, ob Zellen gut- oder bösartig sind, gibt es in Tansania kaum. Deshalb fotografiert Sienz Gewebeproben unter dem Mikroskop und lässt die Bilder über das Internet von deutschen Fachärzten beurteilen. "Früher haben wir die Proben per Post nach Deutschland geschickt und dann drei Monate gewartet. Heute wissen wir in ein, zwei Tagen Bescheid." Der zeitliche Vorsprung könne in manchen Fällen Leben retten.

Wissen im Netzwerk

Die Befunde stellen die Pathologen über das iPath-Netzwerk, eine Art Online-Forum. Die beteiligten Ärzte arbeiten ehrenamtlich, die meisten sind Ruheständler. "Wir wollen unser Wissen, das wir über Jahrzehnte angesammelt haben, dort einsetzen, wo es am meisten fehlt", sagt Gerhard Stauch, der das Netzwerk mit aufgebaut hat. Inzwischen bearbeiten die Pathologen täglich rund 50 Fälle aus Kliniken in 35 Entwicklungsländern.

Die Anfragen kommen fast immer von lokalen Ärzten. Auch in Ndanda sollen die einheimischen Mediziner die Telemedizin künftig eigenständig nutzen. Jesaja Sienz hat dafür drei Kollegen geschult. Sie müssen lernen, die Gewebeproben zu entnehmen und sauber aufzubereiten. Nur wenn die Qualität der Bilder stimmt, können die Fachärzte am anderen Ende der Leitung eine verlässliche Diagnose stellen.