Brasiliens ehemaliger Präsident Luis Inácio Lula da Silva darf bei den Präsidentschaftswahlen im Oktober nicht kandidieren. Sechs von sieben Richter stimmten nach einer mehr als elfstündigen Sitzung gegen eine Kandidatur des Linkspolitikers, wie die Tageszeitung "Folha de São Paulo" am 2. September berichtete. Lula ist seit Anfang April inhaftiert. Er wurde wegen Korruption und Geldwäsche zu zwölf Jahren und einem Monat Haft verurteilt.

Lula weist alle Vorwürfe zurück und sieht in der Verhaftung einen Komplott, ihn politisch mundtot zu machen. Die Umfragen bei den Präsidentschaftswahlen führt der 72-jährige Linkspolitiker mit rund 20 Prozent Vorsprung an.

Lulas Arbeiterpartei PT kündigte umgehend an, alle verfügbaren Rechtsmittel gegen das Urteil des Wahlgerichts einzulegen. "Die Kandidatur von Lula ist die Antwort des brasilianischen Volkes auf diejenigen, die ihre Macht missbraucht haben", erklärte die PT und rief zu Massendemonstrationen auf.

13 Kandidaten

Die Richter begründeten die Entscheidung mit einem von Lula erlassenen Gesetz, nachdem eine Kandidatur für öffentliche Wahlämter bei Vorstrafen nicht möglich ist. Lulas Anwälte argumentieren allerdings, dass seine Kandidatur rechtens ist, weil noch Einsprüche gegen die Haftstrafe anhängig sind. Sie hatten den UN-Menschenrechtsausschuss angerufen, der eine Disqualifikation ebenfalls mit der gleichen Begründung für unzulässig hält.

In einem ersten, am 1. September ausgestrahlten TV-Wahlspot verspricht Lula, er werde als Präsident, "der am meisten für die soziale Teilhabe getan hat", in die Geschichte Brasiliens eingehen.

Die Arbeiterpartei PT hat nach dem Richtervotum zehn Tage Zeit, einen Ersatzkandidaten zu präsentieren. Wahrscheinlich ist, dass São Paulos Ex-Bürgermeister Fernando Haddad einspringt, der als Lulas Vize kandidiert. Haddad, der national allerdings wenig bekannt ist, ist jetzt schon im Wahlkampf unterwegs und verteidigt Lulas Erbe. PT-Chefin Gleisi Hoffmann ist sich sicher, dass Haddad rund 80 Prozent aller Stimmen für Lula auf sich vereinigen kann.

Insgesamt bewerben sich für die Wahl am 7. Oktober 13 Kandidaten. Auf Platz zwei der Umfragen liegt der ultrarechte Politiker Jair Bolsonaro, der durch rassistische und homophobe Äußerungen auffällt. Der Ex-Fallschirmspringer ist zudem ein Bewunderer der brasilianischen Militärdiktatur (1964-1985).

Umweltaktivistin tritt an

Hoffnungen auf die Stichwahl macht sich auch São Paulos Ex-Gouverneur Geraldo Alckmin, der das konservative Lager hinter sich vereint. Er setzt darauf, moderate Wähler von Bolsonaro abzuwerben.

Auch Brasiliens Ex-Umweltministerin Marina Silva, die derzeit auf Platz drei der Umfragen liegt, hofft auf einen Einzug in die Stichwahl. Die 60-jährige Umweltaktivistin ist als eine der wenigen Politiker nicht in Korruptionsskandale verwickelt. Respekt hat sie sich 2008 erworben, als sie aus Protest gegen die Amazonas-Politik von Lula von ihrem Amt als Umweltministerin zurücktrat.

Brasilien ist gesellschaftlich zutiefst gespalten. Seit drei Jahren steckt Lateinamerikas größte Volkswirtschaft in einer Wirtschaftskrise mit Rekordarbeitslosigkeit. Zugleich erschüttert der größte Korruptionsskandal in der Geschichte das Land.