Mit seinem Vorstoß für eine neue Religionsdebatte hat Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) geteilte Reaktionen hervorgerufen. Der Zentralrat der Muslime in Deutschland und die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) begrüßten Seehofers Initiative. SPD und Grüne äußerten dagegen Kritik.

"Die Wandlung vom Saulus zum Paulus ist im Falle von Horst Seehofer denkbar unglaubwürdig", sagte der stellvertretende SPD-Vorsitzende Ralf Stegner der "Passauer Neuen Presse" (24. August). Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt sieht in dem Vorstoß des CSU-Vorsitzenden einen Versuch, sich von seiner offenbar gescheiterten "Politik der Konfrontation" zu distanzieren. Sie sagte dem Blatt: "Jetzt versucht er umzusteuern und verkündet einen Dialog, den er erst ins Stocken gebracht hat." Seehofers Beitrag lese sich für sie so, "als ob er persönlich enttäuscht ist, dass seine privaten Überzeugungen nicht mehr die der Mehrheit inklusive der Kirchenleitungen sind".

Mazeyk sieht Fortschritt

Kurz nach seinem Amtsantritt im März hatte der Innenminister gesagt, der Islam gehöre seiner Ansicht nach nicht zu Deutschland. Die hier lebenden Muslime gehörten allerdings zu Deutschland. In einem Gastbeitrag für "Die Welt" sprach sich Seehofer nun für eine gesellschaftliche Diskussion über die Rolle der Religion und ihr Verhältnis zum Staat aus. Er kündigte an, das Gespräch mit allen relevanten religiösen Gemeinschaften suchen zu wollen. "Die Zuwanderung von Menschen aus unterschiedlichen Herkunftsstaaten, mit unterschiedlicher religiöser und kultureller Prägung, hat zu erheblichen Herausforderungen geführt, die auch das Verhältnis zwischen Religion und Staat betreffen", schrieb der CSU-Vorsitzende.

Dass sich Seehofer mit seinem Vorschlag den Muslimen in Deutschland zuwendet, bezweifelte die Grünen-Fraktionschefin Göring-Eckardt: "Die Muslime spricht Seehofer allenfalls indirekt an." SPD-Vize Stegner sagte, es passe schlecht zusammen, erst eine Debatte anzustoßen, ob der Islam zu Deutschland gehöre oder nicht, und dann den Dialog zu propagieren.

Aiman Mazyek, Vorsitzender des Zentralrats der Muslime in Deutschland, sieht in dem Vorstoß Seehofers hingegen einen Fortschritt. "Wir begrüßen, dass der Innenminister am Grundgesetz entlang argumentiert und somit einen guten Geist in die Debatte wirft, der besser ist als der aus den vergangenen Diskussionen", sagte er der "Passauer Neuen Presse". Seehofers Betonung, dass das Grundgesetz allgemein von Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften spreche und nicht nur von den Kirchen, die bei der Entstehung der Weimarer Verfassung dominiert hätten, sei "wichtig und bemerkenswert, denn es ist das Gegenteil von Ausgrenzung", sagte Mazyek. "Es ist zu hoffen, dass die skurrile Islamdebatte nun der Vergangenheit angehört."

Heinig wünscht differenzierte Debatte

Auch die EKD begrüßte das Gesprächsanliegen Seehofers: "Das interreligiöse Gespräch und der gesellschaftliche Diskurs gehören zur guten Tradition des Landes", sagte eine Sprecherin. Der Staatskirchenrechtler Hans Michael Heinig hält vor allem Seehofers Anspruch, das Gespräch mit allen relevanten religiösen Gemeinschaften suchen zu wollen, für wichtig. "Es wird nicht genügen, nur mit den beiden großen christlichen Kirchen und zwei muslimischen Verbänden ein Gesprächsforum zu entwickeln", sagte der Leiter des Kirchenrechtlichen Instituts der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) dem Evangelischen Pressedienst (epd). Ein Großteil der in Deutschland lebenden Muslime sei nicht in den Verbänden organisiert, ebenso wenig sei die Mehrheit der Konfessionslosen Mitglied im Humanistischen Verband.

Um die Gegenwartslage der Gesellschaft aber adäquat abbilden zu können, müsse die Politik alle Interessen in dem Arrangement zwischen Staat und Religionsgemeinschaften einbinden, erläuterte Heinig. Eine niveauvolle und differenzierte Debatte über die Rolle der Religion und ihr Verhältnis zum Staat sei daher dringend nötig.