Die Fantasie von Kindern ist von Natur aus grenzenlos. Selbst in den tristesten Stadtlandschaften finden sie noch Dinge zum Spielen: Da werden Treppengeländer zur Rutschbahn, Beton-Poller zu Turngeräten und Mäuerchen zu Schwebebalken. Das zeigt der Film von Helga Reidemeister und Eduard Gernart über eine Familie im Märkischen Viertel in Berlin. Lediglich ein paar Eternit-Würfel zum Klettern boten den Kindern in dem ab 1963 aus dem Boden gestampften Neubauviertel eine Spielmöglichkeit.

Doch genau hier entstand 1967 der erste Abenteuerspielplatz Deutschlands. "Es war ein Hilfeschrei der Eltern, der dazu führte", erklärt Gabriela Burkhalter, Kuratorin der Ausstellung "The Playground Project. Indoor", die bis zum 28. Oktober in der Bundeskunsthalle zu sehen ist. Die Stadtplanerin aus Basel hat sich vor Jahren daran gemacht, ein noch recht unbeschriebenes Blatt der Architektur- und Designgeschichte zu füllen: Die Entwicklung des Spielplatzes.

"Bis heute ist er hässliches Entlein und vielumworbener Raum zugleich", stellt Burkhalter fest. Design und Konzeption von Spielplätzen war bislang ein schlecht dokumentiertes Thema. "Ein Grund ist wohl, dass man mit der Gestaltung eines Spielplatzes keine große Karriere machen kann, weder als Architekt noch als Künstler, Stadtplaner oder Designer", mutmaßt Rein Wolfs, der Leiter der Bundeskunsthalle.

17 Positionen von Architekten, Designern und Kollektiven

Das will die Bundeskunsthalle nun ändern und stellt 17 Positionen von Architekten, Designern oder Kollektiven vor, die Spielplätze kreiert haben. Dabei fehlt es nicht an Anschauungsmaterial. "The Playground Project" dürfte eine der wenigen Ausstellungen sein, in der Kinder sich selbst beschäftigen und austoben können.

Zentrum der Ausstellung ist der "Lozziwurm", ein 1972 von dem Schweizer Plastiker Yvan Pestalozzi entwickeltes Spielgerät. Kinder können durch das verschlungene orange-gelbe Röhrensystem hindurchkriechen und nach Belieben an einer der runden Öffnungen wieder hinausklettern. Zum Ausprobieren laden auch die Kunststoffspielgeräte des deutschen Designers Günter Beltzig ein. Die Rutsche, Wippen, Kletterobjekte und das Karussell standen zuletzt in Beltzigs Garten. Nun können Kinder (und auch Erwachsene) in der Bundeskunsthalle damit spielen.

Zur Ausstellung gehört auch ein Werkraum, in dem Kinder kreativ werden können sowie eine wachsende Skulptur nach einem Konzept der Künstlerin Karin Hochstatter. Besucher können die von Hochstatter begonnene Installation aus Drahtseil weiterbauen.

Daneben dokumentiert die Ausstellung, dass die Entwicklung der Spielkultur in den Städten keineswegs so linear verläuft wie vermutet. Seit der Industrialisierung Anfang des 20. Jahrhunderts gab es in den großen Städten Spielplätze, die die den Freiraum in der Natur ersetzen sollten. Doch welche Spielmöglichkeiten für Kinder am besten geeignet sind, darüber gab es immer wieder unterschiedliche Ansichten.

Sandkästen als Inseln im Asphalt

So schuf der vom Funktionalismus geprägte niederländische Architekt Aldo van Eyck in den 40er Jahren inmitten der Stadt Sandkästen, die wie Inseln in den Asphalt eingelassen waren. Als sein Verdienst gilt es, dass er den Spielplatz in die kleinsten freien Räume der Stadt brachte. Doch die Sandkästen wirken eher trist und steril. Zur gleichen Zeit entstanden in Dänemark bereits die ersten Abenteuerspielplätze.

Der dänische Landschaftsarchitekt Carl Theodor Sørensen formulierte schon 1931 erstmals die Idee, Kindern einen freien Platz mit Baumaterial und Werkzeugen zur Verfügung zu stellen. Und sogar noch während der deutschen Besetzung Dänemarks 1943 wurde ein solcher Abenteuerspielplatz in einer Wohnsiedlung in Emdrup bei Kopenhagen realisiert.

Es sollte mehr als 20 Jahre dauern, bis die Idee in Deutschland ankam. Beflügelt durch neue pädagogische Ideen in den 70er Jahren verbreitete sich das Modell auch hierzulande. In den 80er Jahren verlor das freie Spiel allerdings an Attraktivität. Neue technische Errungenschaften boten Kindern alternative Spielmöglichkeiten.

Heute sei wieder eine Aufbruchstimmung spürbar, stellen die Ausstellungsmacher fest. Zeugnis davon liefert die bereits eröffnete Ausstellung "The Playground Project. Outdoor" auf dem Dach und dem Vorplatz der Bundeskunsthalle. Dort sind aktuelle Arbeiten von Künstlern zum Thema Spiel zu sehen. Die Spielgeräte, wie zum Beispiel eine Rutschbahn von Carsten Höller oder ein Schaukelpark des Künstlerkollektivs Superflex, dürfen ebenfalls benutzt werden.