Frankfurt a.M. (epd). Mit ihren Büchern wollte sie bei Kindern "Sehnsucht erwecken nach anderen Zuständen", wie Christine Nöstlinger einmal sagte. In den mehr als 100 Werken der österreichischen Erfolgsautorin geht es unkonventionell und fantasievoll zu. Brave Töchter verwandeln sich in fröhlich-zottelige Tomanis. Kinder erheben sich gegen den autoritären "Gurkenkönig". "Ich kann nur über Dinge schreiben, die ich kenne", so beschrieb sie es selbst: "Bei durchsichtigen Männern aus blauem Rauch, fliegenden Katzen und Großmüttern, Erdäpfeln mit Hirn und Herz und dergleichen kenne ich mich aus." Am 28. Juni starb die Autorin im Alter von 81 Jahren in Wien, wie der Residenz Verlag am 13. Juli mitteilte.
Am 13. Oktober 1936 kam Christine Nöstlinger in Wien zur Welt. Ihr Ruhm begann 1970 mit dem Kinderbuch "Die feuerrote Friederike". Da war sie 34 Jahre alt und Mutter zweier Mädchen. Die Illustrationen zu der Geschichte stammten von Nöstlinger selbst - sie hatte Gebrauchsgrafik an der Akademie für angewandte Kunst in Wien studiert. Das Zeichnen überließ sie später Anderen.
Die Autorin erzählte über Sorgen und Erlebnisse von Kindern, griff aber häufig auch Fragen von Autorität und Emanzipation auf. In "Das Austauschkind" geht es um kindliche Einsamkeit, bei den Geschichten um "Gretchen Sackmeier" um Identitätssuche. Wunderschön ihre "Geschichten von Franz", verrückt-witzig "Das Leben der Tomanis", versponnen die Erlebnisse vom "Lieben Herrn Teufel".
"Ihre vielseitige und äußerst engagierte Tätigkeit als Schriftstellerin ist geprägt von respektlosem Humor, scharfsinnigem Ernst und stiller Wärme, und sie steht vorbehaltlos auf der Seite der Kinder und Außenseiter." So begründete die Jury im Jahre 2003 die Vergabe des ersten Astrid-Lindgren-Gedächtnispreises an Nöstlinger. 1984 bekam sie die Hans-Christian-Andersen-Medaille, die als "Nobelpreis der Kinderliteratur" gilt, zuvor bereits den Jugendliteraturpreis.
Zeitenwende in der Kinderliteratur
Der 1972 erschienene Roman "Wir pfeifen auf den Gurkenkönig" um den gemeinen König der Kumi-Ori, der Familie Hogelmann in Turbulenzen stürzt, wurde zum Kinderbuchklassiker. "Die Feuerrote Friederike" und der "Gurkenkönig" stehen für eine neue Zeit in der Kinderliteratur zu Zeiten der antiautoritären Bewegung. Auch "Konrad aus der Konservenbüchse" wird nur darum gerettet, weil ihm das Nachbarsmädchen systematisch das Brav-Sein abtrainiert.
"Davor waren Kinderbücher faktisch Pädagogikpillen, eingewickelt in Unterhaltungspapier", sagte Nöstlinger der österreichischen Zeitung "Der Standard". Sie hätten lehrreich und voller Moral sein sollen, weil "Eltern, Lehrer und Psychologen geglaubt haben, wenn ein Kind ein Kinderbuch liest, in dem sich ein Kind brav verhält, dann wird das lesende Kind selber brav", so die Autorin und urteilte: "Vertrottelt."
Ihre Bücher durchbrachen oft sprachliche und thematische Tabus, was der Autorin nicht selten angekreidet wurde. In der Sprache orientierte sie sich vor allem an ihrer Zielgruppe. Nöstlingers Bücher wurden in mehr als 20 Sprachen übersetzt. Mit "Die Kinder aus dem Kinderkeller" debütierte sie 1971 beim deutschen Verlag Beltz & Gelberg.
Der österreichische Residenz-Verlag brachte im September 2016 anlässlich ihres 80. Geburtstags ein dreiteiliges "Best of Christine Nöstlinger" heraus. Darunter sind auch ihre Erinnerungen, die 2013 erschienen sind. "Glück ist etwas für Augenblicke", hat sie sie genannt und schrieb darin: "Man muss damit zufrieden sein, zufrieden zu sein."