Berlin (epd). Nach dem Urteil im NSU-Prozess haben Angehörige und Rechtsanwälte weitere Aufklärung über die Hintergründe der zehn rechtsextremistisch motivierten Morde gefordert. Die Rolle der Verfassungsschutzbehörden und die Verstrickung von sogenannten V-Leuten sei in dem fünfjährigen Gerichtsverfahren weitgehend ungeklärt geblieben, sagte Rechtsanwalt und Opfervertreter Mehmet Daimagüler am 12. Juli in Berlin.
Auch habe die Beweisaufnahme gezeigt, dass die bis zuletzt vertretene These der Generalbundesanwaltschaft, es handele sich beim NSU um ein isoliertes Trio, falsch gewesen sei. Allein vor Gericht seien 24 Zeugen angehört worden, die neben den Mitangeklagten von Beate Zschäpe die untergetauchten Rechtsterroristen unterstützten, sagte Daimagüler.
Der Opferanwalt will jetzt mit einer Staatshaftungsklage das Versagen der Ermittlungsbehörden feststellen lassen. Eine entsprechende Klage auf Schadensersatz von bislang drei betroffenen Familien sei beim Landgericht Nürnberg eingereicht worden, sagte Daimagüler. Dabei sprach er auch von "institutionellem Rassismus" wegen einseitiger Ermittlungen in Migrantenkreisen.
Beate Zschäpe zu lebenslanger Haft verurteilt
Das Münchner Oberlandesgericht hatte im Prozess gegen den sogenannten Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) am 11. Juli die 43 Jahre alte Hauptangeklagte Beate Zschäpe wegen Mordes in zehn Fällen zu lebenslanger Haft verurteilt. Dazu kamen unter anderem weitere Vorwürfe wie mehrfacher versuchter Mord und die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung. Das Gericht verurteilte zudem die Mitangeklagten Ralf Wohlleben, Holger G., André E. und Carsten S. zu mehrjährigen Haftstrafen. Die Urteile sind noch nichts rechtskräftig, es wird ein Revisionsverfahren am Bundesgerichtshof erwartet. Die rechtsextrem motivierte Mordserie des NSU war 2011 aufgedeckt worden.
Den Taten von Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Zschäpe fielen zwischen 2000 und 2007 nach Behördenerkenntnissen in acht Städten neun Menschen mit Migrationshintergrund und eine Polizistin zum Opfer. Zschäpe stand als einzige Überlebende des Trios vor Gericht, ebenso wie vier Helfer der Gruppe. Böhnhardt und Mundlos hatten sich 2011 auf der Flucht vor der Polizei das Leben genommen.
Rechtsanwätlin Seda Basay kritisierte, das Urteil habe keine Gerechtigkeit für die Opfer gebracht. Lehren aus dem "NSU-Komplex" seien nicht gezogen worden. Zudem sei das Gericht nicht auf das Leid der Angehörigen der Ermordeten eingegangen. Kerim Simsek, Sohn des ersten bekannten NSU-Mordopfers Enver Simsek aus Nürnberg, zeigte sich "sehr enttäuscht" über die zum Teil in seinen Augen zu milden Strafen. Mit keinem Wort sei der Vorsitzende Richter am Oberlandesgericht Manfred Götzl darauf eingegangen, "dass unser Leben zerstört wurde", sagte Simsek.