Die in der Türkei angeklagte deutsche Journalistin Mesale Tolu darf das Land weiter nicht verlassen. Das entschied ein Gericht am 26. April in Istanbul, wie die stellvertretende Fraktionschefin der Linken im Bundestag, Heike Hänsel, mitteilte. Hänsel verfolgte den Prozess im Gerichtssaal. Die Richter hoben zwar die wöchentliche Meldepflicht für Tolu bei der Polizei auf. Tolus Forderung, auch die Ausreisesperre aufzuheben, kamen sie jedoch nicht nach.

Tolu will nach Angaben von Hänsel Beschwerde gegen das Ausreiseverbot einlegen. "Alle sind enttäuscht und empört, dass es vom Gericht nicht aufgehoben wurde", sagte Hänsel dem Evangelischen Pressedienst (epd). Die jüngste Entscheidung des Gerichts gegenüber der jungen Mutter sei "reine Schikane".

Die Staatsanwaltschaft wirft Tolu Terrorpropaganda und Mitgliedschaft in einer Terrororganisation vor. Mit ihr ist unter anderem ihr Ehemann Suat Corlu angeklagt. Die nächste Verhandlung gegen Tolu, Corlu und 25 weitere Angeklagte setzte das Gericht erst für den 16. Oktober an.

"Justizgeisel"

Tolu war Ende April 2017 bei einer Razzia in Istanbul festgenommen worden und saß bis Dezember in Untersuchungshaft. Beim zweiten Prozesstermin im Dezember hatte das Gericht zwar Tolus Entlassung aus dem Gefängnis verfügt, aber ein Ausreiseverbot und eine wöchentliche Meldepflicht angeordnet. Die 33-jährige deutsche Staatsbürgerin hat vor ihrer Verhaftung für die linke Nachrichtenagentur Etkin News Agency (Etha) gearbeitet.

Hänsel sagte, dass Tolu im Gerichtssaal darauf hingewiesen habe, dass ihr Lebensmittelpunkt in Deutschland sei und auch ihr Sohn dort einen Kindergartenplatz habe. "Es gibt objektiv keinen Grund, dass Mesale Tolu weiterhin als Justizgeisel in der Türkei festgehalten wird, während Deniz Yücel und Peter Steudtner zu Recht ausreisen durften." Die Linken-Politikerin forderte die Bundesregierung auf, den Druck auf die türkische Führung deutlich zu erhöhen.

Im Februar hatte ein Istanbuler Gericht die Freilassung des "Welt"-Korrespondenten Deniz Yücel verfügt. Die Richter verhängten keine Ausreisesperre. Yücel hatte mehr als ein Jahr ohne Anklage in Untersuchungshaft gesessen. Der Berliner Menschenrechtler Peter Steudtner war im Oktober 2017 nach dreieinhalb Monaten Untersuchungshaft entlassen worden und nach Deutschland zurückgekehrt.

"Reporter ohne Grenzen" kritisierte die Entscheidung, das Ausreiseverbot bei Tolu aufrechtzuerhalten. "Die Bundesregierung und die Europäische Union sollten sich angesichts solcher Willkürentscheidungen genau überlegen, ob sie die Beziehungen zu Ankara normalisieren wollen", sagte der Geschäftsführer der deutschen Sektion der Journalistenorganisation, Christian Mihr.

Haftstrafen

Am 25. April hatte ein Istanbuler Gericht unter dem Vorwurf der Terrorunterstützung insgesamt 14 Mitarbeiter der regierungskritischen Zeitung "Cumhuriyet" zu teils langen Haftstrafen verurteilt. Laut der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu erhielten unter anderem Chefredakteur Murat Sabuncu, Geschäftsführer Akin Atalay und Investigativjournalist Ahmet Sik Gefängnisstrafen zwischen sechs und acht Jahren. Laut "Reporter ohne Grenzen" bleiben die Verurteilten für die Dauer eines Berufungsverfahrens auf freiem Fuß.

Erst kürzlich war der deutsch-türkische Etha-Mitarbeiter Adil Demirci während einer Reise in der Türkei festgenommen worden. Demirci hat laut Etha neben der deutschen auch die türkische Staatsbürgerschaft und arbeitete von Deutschland aus neben seiner Arbeit als Sozialarbeiter für die Agentur. In der aktuellen Rangliste der Pressefreiheit der Organisation von Reporter ohne Grenzen steht die Türkei auf Platz 157 von 180 Staaten.