Frankfurt a.M. (epd). Sie gelten als eine der ältesten Plagen der Welt: gefräßige Schwärme von Heuschrecken. Ihr Zerstörungspotenzial trieb schon die Beamten des chinesischen Kaiserreiches so sehr in Verzweiflung, dass sie durch präzise Dokumentation mehr als 1.000 Jahre lang versuchten, die Heuschreckenwanderungen vorherzusehen und so zu verhindern. Der Erfolg blieb aus.
Die verheerendste aller Heuschreckenarten ist die Wüstenheuschrecke. Ihr Lebensraum erstreckt sich zwischen Westafrika und Indien auf einer Fläche von rund 16 Millionen Quadratkilometern. Wächst sich der Bestand zu einer sogenannten Plage aus, können die Tiere nach Angaben der UN-Organisation für Landwirtschaft und Ernährung (FAO) bis zu 20 Prozent der weltweiten Landfläche und mehr als 65 der ärmsten Länder beeinflussen und so potenziell die Lebensgrundlage von einem Zehntel der Weltbevölkerung zerstören.
Millliarden Tiere
Aktuell sind Teile dieser Region, nämlich Ostafrika und Südasien, von einer der schlimmsten Heuschreckenplagen seit 25 Jahren betroffen. Nach Angaben der UN sind etwa 13 Millionen Menschen in Gefahr, ihre Existenzgrundlage zu verlieren.
Die Schwärme der Heuschrecken können riesige Ausmaße annehmen. Im schlimmsten Fall begeben sich mehrere Milliarden Tiere zusammen auf Wanderschaft und fressen ganze Landstriche leer. Ein Tier kann dabei jeden Tag sein eigenes Gewicht, also etwa zwei Gramm, fressen. Ein Schwarm, der sich über die Fläche von Paris erstrecken würde, bräuchte nach Berechnungen der FAO pro Tag so viel Nahrung wie die halbe Bevölkerung Frankreichs.
Je nach Wetterverhältnissen erstrecken sich die Schwärme nach Angaben der FAO wolkenartig bis zu anderthalb Kilometer in die Höhe. Die meiste Zeit verbringen sie aber in Bodennähe. Während ihrer Wanderung erreichen sie in der Luft eine durchschnittliche Geschwindigkeit von 13 bis 15 Kilometer pro Stunde und legen so pro Tag bis zu 150 Kilometern zurück. Unter den richtigen Voraussetzungen kann sich die Zahl der Heuschrecken in drei Monaten etwa verzwanzigfachen.
Das Leben einer Wüstenheuschrecke läuft in zwei Phasen ab. In der ersten Phase lebt sie als ortsgebundene Einzelgängerin. Wenn der Lebensraum für die gesamte Population zu eng wird, schließen sich die Insekten zu Gruppen zusammen und beginnen zu wandern. Ein Grund dafür ist neben der Nahrungsknappheit der unter den Tieren übliche Kannibalismus, wie ein internationales Forscherteam unter Beteiligung des Max-Planck-Instituts herausfand: Ab einer bestimmten Populationsdichte ist das Risiko, von einem Artgenossen gefressen zu werden, in der wandernden Gruppe geringer.
In der Masse kräftig gefärbt
Zwischen den Phasen verändert sich nicht nur das Verhalten, sondern auch das Aussehen der Tiere, wie Forscher der Universität Cambridge entdeckten: Sind sie eigentlich beige gefärbt und gut getarnt, ist ihre Färbung in der Masse deutlich kräftiger und leuchtender. Zudem fressen sie sogar giftige Pflanzen, die sie normalerweise meiden würden.
Dass die Wüstenheuschrecken sich aktuell so schnell verbreiten können, könnte auch mit dem Klimawandel zusammenhängen. Die Insekten vermehren sich besonders schnell, wenn es viel geregnet hat und sie ausreichend Vegetation finden können. In den vergangenen Jahren gab es in Ostafrika ungewöhnlich starken Regen aufgrund der vielen Zyklone. Diese werden wiederum durch steigende Meerestemperaturen begünstigt. Gleichzeitig überleben die Insekten auch bei Dürren - ein weiteres durch den Klimawandel verstärktes Phänomen.