Der Vorsitzende der Gewerkschaft ver.di, Frank Bsirske, fordert eine grundlegende Reform des Hartz-IV-Systems. Das Bundesverfassungsgericht habe klargestellt, dass Hartz IV das Existenzminimum abbilden müsse, sagte Bsirske der "Passauer Neuen Presse" (1. Mai). Da Hartz-IV-Leistungen aber durch Sanktionen gekürzt werden könnten, fielen die Betroffenen unter das Existenzminimum. "Das geht nicht", unterstrich Bsirske. Das "Kernstück von Hartz IV" - die Zusammenlegung von Arbeitslosenversicherung und Sozialhilfe auf dem niedrigeren Niveau der Sozialhilfe - habe sich nicht bewährt.

"Es ist allerhöchste Zeit, wieder eine Arbeitslosenhilfe einzuführen, die oberhalb des Sozialhilfeniveaus liegt", forderte der ver.di-Chef. Nur dann könnte es gerechtfertigt sein, Sanktionen gegen Erwerbslose zu verhängen, weil diese dann nicht unter das Niveau des reinen Existenzminimums rutschen würden. Die Wiedereinführung einer gesonderten Arbeitslosenhilfe sei "die notwendige Konsequenz aus dem Versagen des Systems", sagte Bsirske.

In der Diskussion um ein bedingungsloses Grundeinkommen warnte der ver.di-Chef vor Illusionen: "Das Grundeinkommen müsste bei rund 1.200 Euro pro Monat liegen, um halbwegs auskömmlich zu sein. Das allein würde eine Billion Euro pro Jahr kosten und das heutige Steueraufkommen glatt übersteigen." Ein auskömmliches bedingungsloses Grundeinkommen sei nicht finanzierbar, betonte Bsirske.

Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) hatte jüngst mit seinem Vorschlag eines "solidarischen Grundeinkommen" eine Debatte über die Zukunft von Hartz IV angestoßen. Nach seinem Vorschlag sollen Arbeitslose künftig einen steuerfinanzierten Vollzeit-Job auf Mindestlohnniveau mit einem Nettoverdienst von 1.200 Euro im Monat angeboten bekommen. Die Annahme wäre freiwillig; wer ablehnt würde bei der bisherigen Grundsicherung bleiben.