Berlin (epd). Die Bundesregierung will den Ausbau des Wasserstoffsektors deutlich beschleunigen. Ziel ist, dass grüner Wasserstoff aus erneuerbaren Energien klimaschädliche Brennstoffe wie Kohle, Erdöl und Gas zunehmend ablöst, wie aus dem am 26. Juli vom Bundeskabinett in Berlin beschlossenen aktualisierten nationalen Wasserstoffstrategie hervorgeht. Das bisherige Ausbauziel für heimische sogenannte Elektrolyseure, die für die Wasserstofferzeugung nötig sind, wird demnach bis 2030 verdoppelt.
Diese Geräte lösen mit Elektrizität eine chemische Reaktion aus, die Wasser in die Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff spaltet. Den aktualisierten Plänen zufolge soll bis 2030 eine Elektrolyseleistung von mindestens 10 Gigawatt installiert werden. Bislang waren 5 Gigawatt vorgesehen. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sprach von einer „neuen Phase im Wasserstoffmarkthochlauf“. Für Kritik sorgt, dass übergangsweise auch die Nutzung von blauem Wasserstoff aus Erdgas unterstützt wird.
Einsatz in Stahl- und Chemieindustrie
Der Einsatz von Wasserstoff ist insbesondere in der Stahl- und Chemieindustrie, bei besonders schweren Nutzfahrzeugen, im Schiffsverkehr sowie bei Kurz- und Mittelstreckenflügen geplant. Die für den Wasserstoffmarkt nötigen Anlagen, Speicher und Leitungen werden demnach in den kommenden Jahren deutlich ausgebaut und neue Technologien gefördert. Deutschland solle bis 2030 Leitmarkt für Wasserstofftechnologien werden, heißt es. Der Gesamtwasserstoffbedarf wird dann auf 95 bis 130 Terawattstunden geschätzt. Aktuell beträgt der durch grauen Wasserstoff gedeckte Bedarf etwa 55 Terawattstunden.
Erstmals hatte die große Koalition aus Union und SPD unter Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) im Jahr 2020 eine Wasserstoffstrategie vorgelegt. Diese wurde nun von der Ampel-Regierung aktualisiert. Bis spätestens 2028 soll ein deutsches Wasserstoffnetz von mehr als 1.800 Kilometern Leitungen entstehen. Europaweit sind den Angaben nach in dem Zeitraum rund 4.500 Kilometer vorgesehen, davon 3.000 Kilometer umgenutzte Erdgasleitungen. Weil vor allem aus Norwegen erhebliche Mengen Wasserstoff importiert werden sollen, ist auch der Betrieb von Pipelines geplant. Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) kündigte indes den Aufbau eines Wasserstofftankstellennetzes an.
Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) versprach den Ländern des globalen Südens, aus denen Deutschland ebenfalls Wasserstoff importieren will, eine faire Beteiligung. „Wo Wind- und Sonnenstrom für Wasserstoff produziert wird, wird gleichzeitig die Energiewende vor Ort vorangetrieben und die lokale Bevölkerung mit Strom versorgt. Und wo Meerwasser für Wasserstoff entsalzt wird, wird auch die nächste Stadt mit Trinkwasser versorgt“, erklärte sie. Aktuell unterstützt ihr Ministerium nach eigenen Angaben bereits Marokko, Brasilien, Tunesien, Algerien und Südafrika beim Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft mit mehr als 200 Millionen Euro.
Kritik am „blauen“ Wasserstoff
Klimaschutzorganisationen forderten derweil striktere Vorgaben. Die geschäftsführende Vorständin der Klima-Allianz Deutschland, Christiane Averbeck, kritisierte die vorgesehene Förderung von blauem Wasserstoff als ein Festhalten an alten, fossilen Strukturen. Diese setze kurzfristig falsche Anreize. Wasserstoff werde zudem trotz größter Anstrengungen ein weltweit knappes Gut bleiben. Daher sei eine klare Priorisierung der Anwendungsbereiche notwendig. Der Umweltverband WWF Deutschland vermisste strikte Regeln „für den Einsatz lediglich grünen Wasserstoffs“. Wasserstoff müsse dort eingesetzt werden, wo er alternativlos sei, etwa in der Stahl- oder Chemieindustrie, nicht aber in PKW oder in privaten Heizungssystemen.