Leipzig (epd). Das Wochenende in Leipzig war überschattet von massiven Ausschreitungen linksradikaler Gruppen. Nach dem Urteil gegen Lina E. wegen linksextremistischer Gewalttaten mit mehr als fünf Jahren Haft hatte die linke Szene bundesweit für den 3. Juni zu einem „Tag X“ in die sächsische Stadt mobilisiert. Trotz eines von der Stadt verhängten Demonstrationsverbots kam es im Süden der Stadt zu schweren Auseinandersetzungen zwischen Linksautonomen und der Polizei. Schwerpunkt war der Stadtteil Connewitz. Eine für den Abend des 4. Juni angemeldete weitere Demonstration „gegen Polizeigewalt“ wurde von der Stadt ebenfalls verboten.
In den Nächten zu Samstag und Sonntag griffen Hunderte Vermummte Polizisten mit Flaschen, Steinen und Pyrotechnik an, errichten Barrikaden und zündeten sie an. Zudem attackierten sie ein Polizeirevier in Connewitz. Die Polizei war mit einem Großaufgebot im Einsatz und setzte Räumpanzer und Wasserwerfer ein. Über der Stadt kreisten Polizeihubschrauber.
Am Samstag kesselten Einsatzkräfte nach einer genehmigten Demonstration mehr als 1.000 Menschen über Stunden ein und nahmen die Personalien auf. Die letzte Identität sei am Sonntagmorgen kurz nach fünf Uhr festgestellt worden, teilte die Polizei mit.
Am Sonntagnachmittag bilanzierte die Polizei rund 50 verletzte Polizeibeamte. Auch bei den Versammlungsteilnehmern habe es ein unbekannte Anzahl von Verletzten gegeben.
Bis zu 50 Personen seien zudem in Gewahrsam genommen worden Bei knapp 30 Menschen prüfe die Staatsanwaltschaft Haftanträge. Bereits am Samstag waren gegen fünf Männer Haftbefehle wegen Landfriedensbruch erlassen worden. .
Kritik an Einkesselung
Zudem wurde laut Polizei bei den Ausschreitungen mindestens ein Medienvertreter angegriffen. Dabei soll es sich um einen freien Fotografen handeln, der unter anderem für die „Bild“ arbeitet.
Unterstützung erhielt die sächsische Polizei von Einsatzkräften aus zwölf Bundesländern und der Bundespolizei. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) erklärte am Sonntag, wer Steine, Flaschen und Brandsätze auf Polizisten werfe, müsse dafür konsequent zur Rechenschaft gezogen werden.
Sachsens Innenminister Armin Schuster (CDU sagte, die massiven Angriffe auf die Einsatzkräfte habe bestätigt, „dass das Vorgehen von Polizei und Stadt sowie Staatsanwaltschaft und Gerichten richtig war“. Die Stadt Leipzig hatte die „Tag X“-Demonstration mit der Begründung verboten, dass ein unfriedlicher Verlauf zu befürchten sei. Das Verbot wurde später von mehreren Gerichten bestätigt.
Kritik am Vorgehen von Stadt und Polizei kam von Linken, SPD und Grünen im sächsischen Landtag. Der SPD-Innenpolitiker Albrecht Pallas warf der Polizeiführung eine „provozierenden Herangehensweise“ vor, die zur Eskalation beigetragen habe. Der Grünen-Abgeordnete Valentin Lippmann sagte, das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit sei in Leipzig „faktisch entkernt“ worden.
Die innenpolitische Sprecherin der Linken, Kerstin Köditz, kritisierte besonders die stundenlange Einkesselung. Die „Herstellung menschenunwürdiger Bedingungen ist weder verhältnismäßig noch ein Beitrag zur Deeskalation“, sagte sie. Die Linke werde deshalb eine Sondersitzung des Innenausschuss im Landtag beantragen.