Hamburg (epd). Der „Spiegel“ muss einen Artikel über den ehemaligen „Bild“-Chefredakteur Julian Reichelt mit dem Titel „Vögeln, fördern, feuern“ aus dem Netz nehmen. Dies bestätigte ein Gerichtsprecher dem Evangelischen Pressedienst (epd) am 26. November. In dem im März veröffentlichten Beitrag hatte der „Spiegel“ über mutmaßlichen Machtmissbrauch in der „Bild“-Redaktion und insbesondere über das Verhalten Reichelts berichtet.
Die jetzige Gerichtsentscheidung ist nicht die erste im Fall Reichelt gegen den „Spiegel“. Im Mai hatte der 41-Jährige bereits vor dem Landgericht Hamburg eine einstweilige Verfügung gegen das Nachrichtenmagazin erreicht. Infolgedessen ergänzte die Redaktion den nun nicht mehr aufrufbaren Online-Artikel um eine Stellungnahme Reichelts aus dem Gerichtsverfahren.
Genau diese Ergänzung hält das Landgericht dem neuen Ordnungsmittelbeschluss nach aber nicht für ausreichend, sagte der Gerichtssprecher. Die Pressekammer habe entschieden, dass die so im Internet belassene Berichterstattung noch immer gegen die ursprüngliche Verbotsverfügung verstoße und daher ein Ordnungsgeld in Höhe von 2.000 Euro verhängt. Dafür sei entscheidend, dass die Berichterstattung ungeachtet der ergänzten Textpassagen immer noch genau den Sachverhalt betrifft, auf den sich das Verbot beziehe, nämlich auf den Verdacht des Fehlverhaltens gegenüber Frauen, des Machtmissbrauchs und der Ausnutzung von Abhängigkeitsverhältnissen.
„Spiegel“ legt Beschwerde ein
Das Magazin hält diese Einschätzung für falsch und hat vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht Beschwerde eingereicht, wie eine „Spiegel“-Sprecherin dem epd sagte. Zudem sei die Berichterstattung „von der Realität überholt worden“, da sich die Vorwürfe tendenziell bestätigt hätten.
Nach der ersten Veröffentlichung der Anschuldigungen war Reichelt auf eigenen Wunsch freigestellt worden, der Axel Springer-Konzern leitete eine Compliance-Untersuchung zur Prüfung der Vorwürfe ein. Ende März kehrte Reichelt an seinen Arbeitsplatz zurück. Zur Begründung hieß es, der Vorstand des Medienkonzerns sehe es trotz bei der Untersuchung festgestellter Fehler in der Amts- und Personalführung als nicht gerechtfertigt an, Reichelt von seinem Posten abzuberufen.
Im Oktober wurde Reichelt dann mit sofortiger Wirkung von seinen Aufgaben entbunden. Als Grund gab der Konzern an, er habe als Folge von Medienrecherchen neue Erkenntnisse über das aktuelle Verhalten Reichelts gewonnen.
Vor Bekanntgabe der Entscheidung des Axel-Springer-Vorstands zur Entlassung Reichelts war öffentlich geworden, dass die Spitze der Verlagsgruppe Ippen eine für den 17. Oktober geplante Berichterstattung zu mutmaßlichem Machtmissbrauch im Konzern Axel Springer gestoppt hatte. Daraufhin veröffentlichte der „Spiegel“ am Abend des 18. Oktober online Teile der Recherche. Der Fokus des Artikels liegt auf dem Umgang Reichelts mit ihm unterstellten Mitarbeiterinnen. Später bestätigte auch der Vorstandsvorsitzende des Axel-Springer-Konzerns, Mathias Döpfner, dass Reichelt nach Abschluss der Compliance-Untersuchung eine Beziehung mit einer ihm unterstellten Frau hatte.