Berlin (epd). Die deutsche Ärzteschaft zieht Konsequenzen aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Sterbehilfe. Mit deutlicher Mehrheit der Delegierten entschied der Deutsche Ärztetag am 5. Mai, das bisherige Verbot der Suizidassistenz aus der Musterberufsordnung der Bundesärztekammer zu streichen.

Führende Ärztevertreter betonten gleichzeitig, dass die Hilfe bei der Selbsttötung grundsätzlich nicht ärztliche Aufgabe sei und das Verbot der Tötung auf Verlangen bestehen bleiben müsse. Der Abstimmung war eine dreistündige Debatte vorausgegangen, in der das Ringen der Ärzteschaft mit dem Umgang und der eigenen Rolle bei dieser Form der Sterbehilfe deutlich wurde. Am Ende fiel das Ergebnis eindeutig aus: 200 Ärztevertreter stimmten für die Aufhebung des Suizidhilfe-Verbots, acht dagegen, weitere acht enthielten sich.

Neuregelung bis Herbst fraglich

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das im vergangenen Jahr das Verbot der organisierten - sogenannten geschäftsmäßigen - Suizidassistenz gekippt hatte, hatte erneut eine Diskussion über das ärztliche Standesrecht ausgelöst. Schon bei der Debatte im Jahr 2015 über das letztlich in Karlsruhe gekippte Verbot hatten sich einige Vertreter der Ärzteschaft für eine Liberalisierung der Berufsordnung ausgesprochen, eine Mehrheit war aber dagegen. Einige Landesärztekammern hatten zugleich bereits weniger restriktive Regelungen.

Bei der Suizidassistenz werden einem Sterbewilligen tödlich wirkende Mittel überlassen. Diese Form der Sterbehilfe ist zu unterscheiden von der weiterhin auch im Strafrecht verbotenen Tötung auf Verlangen, bei der ein Mittel verabreicht wird. Im Bundestag wird derzeit über eine mögliche gesetzliche Neuregelung der Suizidassistenz beraten. Es ist allerdings fraglich, ob sie noch in dieser Wahlperiode verabschiedet wird. Zwei vorliegende Gesetzentwürfe sehen eine zentrale Rolle bei Beratung und Verschreibung von Medikamenten bei Ärzten.

In der Ärzteschaft wird das kontrovers debattiert. Ärztepräsident Klaus Reinhardt unterstrich am Mittwoch seine persönliche Haltung, wonach Hilfe beim Suizid keine ärztliche Aufgabe sein sollte. Constantin Janzen aus Hildesheim sagte dagegen, er wäre grundsätzlich dazu bereit, „unter klar definierten und sicheren Voraussetzungen den assistierten Suizid zu begleiten“ und wolle dafür nicht verurteilt werden. „Wir verschieben hier eine Grenze“, mahnte Lydia Berendes von der Ärztekammer Nordrhein.

Der auf dem digitalen Ärztetag verabschiedete Antrag zur Streichung des Verbots der Suizidhilfe betont in der Begründung: „Die Streichung ändert nichts daran, dass ärztliches Handeln von einer lebens- und gesundheitsorientierten Zielrichtung geprägt ist.“ Es zähle nicht zum Aufgabenspektrum der Ärzteschaft, Hilfe zur Selbsttötung zu leisten. Niemand dürfe verpflichtet werden Suizidassistenz zu leisten, und ebenso gebe es keinen Anspruch auf Hilfe bei der Selbsttötung. Ärztepräsident Reinhardt sagte, die Wahrnehmung des Arztes, der primär dem Leben, der Überwindung von Krankheiten und dem Lindern von Leiden verpflichtet sei, dürfe nicht in eine Schieflage geraten.