Hannover (epd). Die Pfarrerin und Missbrauchsbetroffene Karin Krapp hat von der evangelischen Kirche eine kritische Auseinandersetzung mit kirchlichen Konventionen gefordert. Dazu gehöre auch, die allgemeine Wertschätzung körperlicher Nähe zu hinterfragen, sagte die Betroffenenvertreterin im Beteiligungsforum Sexualisierte Gewalt in der evangelischen Kirche. Sie wolle nicht von Kolleginnen oder Kollegen ungefragt die Hand auf die Schulter gelegt bekommen. „Ich vermisse eine Wertschätzung des Nichtangefasstwerdens.“

Ein Umdenken in diesem Bereich müsse Teil des oft zitierten Kulturwandels in der Kirche sein, auch wenn dadurch eine gewisse Leichtigkeit verloren gehe, sagte Krapp auf dem Podium „Narzissmus in der Kirche“.

„Scheuen uns in Leitungsfuktionen vor der Macht“

Anuschka Lütje, Präventionsmitarbeiterin der Fachstelle sexualisierte Gewalt der hannoverschen Landeskirche, sagte, Konventionen stellten eine Form der Machtausübung dar, die Menschen bedrängen oder ausschließen könnten. Pastoren und kirchliche Mitarbeitende seien sich ihrer informellen Macht häufig nicht bewusst.

Der Pastoralpsychologe Michael Klessmann aus Berlin vermisst das Controlling in der Kirche. „Wir scheuen uns in Leitungsfunktionen vor der Macht, scheuen uns davor, auch mal klare Ansagen zu machen, was geht und was nicht.“ Das geistliche Amt fördere potenziell einen ungesunden Narzissmus und eine Machtausübung, die kontrolliert werden müsse.

Holger Pyka vom Predigerseminar Wupptertal bescheinigte der Kirche ein ernsthaftes Nachdenken über Machtmissbrauch. Die Problematik müsse aber dauerhaft bearbeitet werden, „weil bei uns Menschen mit Menschen arbeiten“.