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Notdienstreform: Kassen und Verbände loben Entwurf




Notaufnahme
epd-bild/Paul-Philipp Braun
Vergangene Woche hat das Bundeskabinett die Reform der Notfallversorgung gebilligt. Kassen und Verbände finden den Entwurf prinzipiell richtig, vermissen aber weitere Reformschritte. Teilweise sind diese Schritte bereits angedacht.

Berlin (epd). Nachdem das Bundeskabinett der Reform der Notfallversorgung grünes Licht gegeben hat, loben Kassen und Verbände den vorliegenden Gesetzesentwurf. Allerdings mahnen sie weitere Reformschritte an, etwa bei Krankenhäusern und im Rettungsdienst. Von ihnen hänge ab, ob die Reformvorhaben insgesamt gelängen.

Das Bundeskabinett hatte am 17. Juli das Gesetz zur Reform der Notfallversorgung beschlossen. Gegenwärtig klagen viele Notfall-Einrichtungen wie etwa Notaufnahmen in Krankenhäusern über starke Belastungen, weil Patienten sie in Anspruch nehmen, die in anderen Strukturen wie etwa bei Hausärzten effizienter versorgt werden könnten. Das Gesetz soll daher Hilfesuchende im Akut- und Notfall schneller in die passendere Behandlung vermitteln.

Nicht von anderen Reformen lösen

Die Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbands, Carola Reimann, nannte es „sinnvoll und richtig“, dass die Ampel das Problem der chronisch überlasteten Notaufnahmen in Deutschland angehen wolle. Damit leiste sie einen Beitrag zur besseren Erreichbarkeit in der Akutversorgung und einen Schritt hin zur notwendigen stärkeren ambulanten Versorgung. Gleichzeitig begegne sie Ängsten in der Bevölkerung, dass medizinische Hilfe im Notfall nicht mehr so einfach erreichbar sei. Die Reform der Notfallstrukturen dürfe jedoch nicht losgelöst von weiteren Reformvorhaben sein. „Vor allem die Krankenhausreform ist hier entscheidend, damit die Ambulantisierung auch gelingt“, sagte Reimann. Zudem sei der Rettungsdienst im vorliegenden Entwurf noch nicht ausreichend mitbedacht.

Lob kam auch vom Verband der Ersatzkassen (vdek). Die Reform habe das Potenzial, die Notaufnahmen zu entlasten, teilte der vdek mit. Der Verband empfahl über den vorliegenden Entwurf hinaus die Leitstellen der Rettungsdienste zu sogenannten Gesundheitsleitstellen auszubauen. „Von hier aus können neben einem Rettungsdienst- oder Notarzteinsatz auch andere Versorgungsangebote wie die pflegerische Notfallversorgung oder der psychosoziale Notdienst angesteuert werden“, hieß es. Für mehr Qualität und Effizienz sollten bestehende Leitstellen zudem zusammengelegt werden.

Auch der Verband der Universitätsklinika in Deutschland (VUD) begrüßte das Reformvorhaben. Jens Scholz, Erster Vorsitzender des VUD, erklärte, die Unikliniken hätten „ein besonderes Interesse an der Reform, weil sie Notfallversorgung rund um die Uhr in allen Disziplinen sichern“. Beide Reformvorhaben würden - sofern konsequent umgesetzt - die Qualität der Patientenversorgung verbessern. Die Krankenhäuser würden von einer Reform der Notfallversorgung profitieren, wenn zukünftig Patientinnen und Patienten gezielter in die richtige Versorgungsebene geleitet werden. Die Umsetzung der Reform solle durch eine unabhängige Institution wissenschaftlich begleitet werden.

Akutleitstellen und Integrierte Notfallzentren

Kern der im Kabinett beschlossenen Reform sind sogenannte Akutleitstellen sowie Integrierte Notfallzentren (INZ) an Krankenhäusern. In den Akutleitstellen sollen die Notrufnummer 112 für den Rettungsdienst und die 116 117 für den Ärztlichen Bereitschaftsdienst (ÄBD) digital zusammenlaufen. Der ÄBD ist die Vertretung der Hausärzte, wenn deren Praxen geschlossen sind. Die Leitstellen sollen die Dringlichkeit von Fällen einschätzen und Anrufer in die für ihr Problem passende Struktur leiten. Ärztinnen und Ärzte in den Akutleitstellen können Hilfesuchende telefonisch oder per Video beraten.

Die INZ in oder an einem Krankenhausstandort vereinigen die Notaufnahme des Krankenhauses, eine Praxis des ÄBD und eine zentrale Einschätzungsstelle. Diese Ersteinschätzungsstelle weist Patientinnen und Patienten entweder der Praxis oder der Notaufnahme zu. Zur Akutversorgung von Kindern und Jugendlichen können spezielle Integrierte Notfallzentren für Kinder und Jugendliche (KINZ) eingerichtet werden.

Diese neuen Notdienst-Strukturen sollen paritätisch finanziert werden von den Kassenärztlichen Vereinigungen, die den ÄBD tragen, und den gesetzlichen Krankenkassen. Die privaten Krankenkassen sollen dem Entwurf zufolge sieben Prozent des Beitrags der gesetzlichen Kassen bezahlen.

Rettungsdienst-Reform noch angedacht

In einem weiteren Schritt der Reform soll der Rettungsdienst reformiert und bundesweit standardisiert werden. Aktuell gibt es große Unterschiede zwischen den Ländern, etwa bei der sogenannten Hilfsfrist, in der ein Rettungsmittel spätestens vor Ort sein muss, bei der Mindestqualifikation von Besatzungen von Rettungsfahrzeugen oder welche Typen von Fahrzeugen eingesetzt werden. Der Rettungsdienst soll auch als eigenständiger Leistungsbereich ins Fünfte Sozialgesetzbuch aufgenommen werden. Bislang gilt er gar nicht als medizinische, sondern nur als Transportleistung. Das hat zur Folge, dass Leistungserbringer des Rettungsdienstes nur dann Geld für einen Einsatz erhalten, wenn sie dabei den Patienten in ein Krankenhaus transportieren. Wenn eine Versorgung vor Ort ausreichend ist, fließt dafür an sie kein Geld.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) erklärte, Patientinnen und Patienten sollten sich darauf verlassen können, dass sie im Notfall schnell und gut versorgt werden: „Dafür entlasten wir die notorisch überfüllten Notaufnahmen und sorgen für eine funktionierende Patientensteuerung.“ Akutversorgung solle in Zukunft dort stattfinden, wo sie medizinisch sinnvoll sei. „Wer ambulant behandelt werden kann und wem vielleicht sogar telefonische oder videogestützte Beratung genügt, der muss nicht ins Krankenhaus“, sagte Lauterbach.

Nils Sandrisser